Blickwechsel 11. März 2021
Deine Fragen an einen Buddhisten
Alles zum Blickwechsel

Wie gehst du damit um, dass in dieser Religion, wie in so vielen anderen, Frauen auch weniger wert sind/nicht die gleichen Möglichkeiten haben, spirituell?

1 Antwort

Zuerst einmal musst du wissen, dass der Buddhismus eine Erkenntnisreligion & keine Offenbarungsreligion ist. Das bedeutet, dass die Ergebnisse rationaler Prüfungen, z. B. in Form wissenschaftlicher Studien, im Zweifelsfall über den Worten eines Buddhas stehen. Ich möchte dazu den Dalai Lama zitieren:

"Die Buddhisten glauben an Wiedergeburt. Aber nehmen wir an, dass du verschiedene Untersuchungen die Wissenschaft einmal zu dem definitiven Schluss gelangen wird, dass es keine Wiedergeburt gibt. Wenn dies definitiv bewiesen wird so müssen wir es akzeptieren, und werden es auch akzeptieren. Dies ist generell die buddhistische Einstellung. Die wissenschaftliche Methode scheint also viel mächtiger zu sein." 

Quelle: Dalai Lama: Der Tibetische Buddhismus und der Westen, Seite 32; Erste deutsche Auflage, Grafing 2002.

Sogar der Buddha selber meinte, dass man ihm nichts glauben soll, ohne es geprüft & logisch verstanden zu haben. Also ist gleich einmal zu Beginn festzuhalten, dass man rational & empirisch beweisen müsste, dass Frauen weniger spirituelle Fähigkeiten haben, bevor diese Behauptung als wahr gelten darf. In manchen Kontexten ist sogar Gegenteiliges bewiesen. So gibt es Traum-Meditationen, welche während eines Klartraums stattfinden. Es ist bewiesen, dass Frauen von Grund auf eine höhere Begabung haben, in einen Klartraum zu kommen. Das ist nicht diskriminierend gegenüber Männern gemeint, sondern einfach Realität. 

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Zum anderen ist der Ausschluss der Frau, so wie es in den buddhistischen Schriften steht, eine Interpretationssache. Zum geschichtlichen Hintergrund: Laut Überlieferung hatte der Buddha eine Ziehmutter mit dem Namen Mahaprajapati. Diese schaffte es mit dem Lieblingsschüler des Buddhas Ananda, diesen dazu zu überreden Nonnenorden zu erlauben. Seine Skepsis gegenüber diesem Vorhaben begründete der Buddha damit, dass die Gesellschaft es nicht tolerieren würde, da sie zu patriarchalisch ist. Er gab aber zu, dass eine Frau in der Lage sei spirituelle Zustände zu erreichen. Er sagte auch nichts davon, dass die Frau diesbezüglich dem Mann gegenüber im Nachteil wäre. Gleichzeitig formulierte er besondere Regeln für die Nonnen. Eine Nonne muss nach schriftlicher Überlieferung etwa 100 Regeln mehr einhalten wie ein Mönch. Viele konservative Buddhisten interpretieren das so, dass er den Nonnen bewusst Steine in den Weg legen wollte, um das Nonnentum unattraktiv zu machen. Ich halte jedoch diese Interpretation für falsch: Viel eher wollte er nicht ganz aus dem gesellschaftlichen Rahmen fallen, um die Menschen nicht zu verlieren. 

Bei aller Diskriminierung der Frauen in buddhistischen Ländern, welche nicht erst durch den Buddhismus entstand, muss berücksichtigt werden, dass sich meine Interpretation immer mehr durchsetzt. Gerade im tibetischen Buddhismus ist das auffallend. Dort gibt es mittlerweile weibliche Lamas & religiöse Akademikerinnen (Geshemas). Der Dalai Lama selber hat sich als "feministischen Buddhisten" bezeichnet. 

Bedenke auch, dass es im westlichen Buddhismus keine Probleme diesbezüglich gibt. Das hat damit zu tun, dass die Emanzipation der Frau dort bereits sehr weit fortgeschritten war, als der Buddhismus dort ankam. Im Islam ist es hingegen anders. Dort ist es überwiegend so, dass auch Frauen im Westen als weniger Wert gelten. Das hat einfach damit zu tun, dass die Interpretationsgrundlage des Korans eine andere ist, wie die der buddhistischen Schriften. Wobei ich nicht sagen möchte, dass ALLE westlichen Muslime Frauen als weniger Wert erachten.

PlueschTiger  18.03.2021, 00:35
Gleichzeitig formulierte er besondere Regeln für die Nonnen. Eine Nonne muss nach schriftlicher Überlieferung etwa 100 Regeln mehr einhalten wie ein Mönch. Viele konservative Buddhisten interpretieren das so, dass er den Nonnen bewusst Steine in den Weg legen wollte, um das Nonnentum unattraktiv zu machen. Ich halte jedoch diese Interpretation für falsch: Viel eher wollte er nicht ganz aus dem gesellschaftlichen Rahmen fallen, um die Menschen nicht zu verlieren.

Könnte man die Regeln welche für Frauen extra gelten und sagen wir mal offensichtlich nonsens sind auch abschaffen? Wenn ich nach dem vom Dalai Lama gehe, müsste das doch möglich sein.

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Bodhgaya  18.03.2021, 10:43
@PlueschTiger
Könnte man die Regeln welche für Frauen extra gelten und sagen wir mal offensichtlich nonsens sind auch abschaffen?

Nach meiner Auffassung sind diese tatsächlich nicht mehr zeitgemäß. Aller größtenteils sind sie auch schon "abgeschafft". Wenn man die Mönchsregeln aus den buddhistischen Schriften liest (das Vinaya), wird man feststellen, dass eine Vielzahl dieser Regeln faktisch nicht mehr eingehalten werden.

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