Blickwechsel 18. Januar 2023
Deine Fragen an eine depressive Person
Alles zum Blickwechsel

Wie haben Deine nächsten Angehörigen reagiert auf Deine Diagnose?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Nächsten Angehörigen: Ich würde es ziemlich schnell erzählen. Entweder wäre es nichts Schlimmes, also könnte ich es einfach sagen und vielleicht wussten sie ja auch vom Arztbesuch. Bei heftigen Diagnosen würde ich es mindestens ein oder zwei nahestehenden Menschen sagen wollen, damit ich damit nicht mehr so allein bin. Ich wüsste nicht, wie ich Tag für Tag mit ihnen zusammen sein sollte, ohne die heftige Diagnose zu nennen.

Neue Bekanntschaften: Vermutlich solange warten, wie es möglich ist. Wenn die Notwendigkeit zu besonderer Vorsicht besteht oder irgendwelche Aktionen aufgrund der Krankheit nicht möglich/zu gefährlich wären, würde ich es kurz und knapp sagen. Auf Nachfrage dann ggf. mehr. Die eine oder andere denkbare Angst würde ich aber vielleicht direkt beim Verkünden der Diagnose ansprechen, nicht das zu viele Mutmaßungen/Vorurteile usw. ins Kraut schießen. Vor ein paar Jahren hätte ich das noch nicht gekonnt, inzwischen würde es vermutlich gehen.

Überhaupt nicht!

Ich binde niemandem meine Krankheit auf die Nase!

Giwalato 
Fragesteller
 25.01.2023, 21:22

Ich stelle es mir sehr anstrengend vor, im privaten Umfeld niemand zu haben, mit dem man offen sprechen kann.

Nicht über alle Details, sondern „Mir geht es derzeit nicht so gut, mich strengt alles an.“, z. B.

Durch den Corona-Lockdown haben, denke ich, viele Menschen erstmals erfahren, wie isoliert man sich als depressiver Mensch fühlen kann.

Alles Gute für Dich!

2
Ramboline  27.01.2023, 09:31
@Giwalato

Vielen Dank für deine lieben Worte.

Ich musste mehrfach die Erfahrung machen, dass es für mich nur von Vorteil war und ist, nicht darüber zu sprechen.

Von den Menschen, die es wussten, habe ich sehr viel negative Resonanz erfahren müssen, weshalb ich es nach wie vor vorziehe zu schweigen.

0
Giwalato 
Fragesteller
 27.01.2023, 10:05
@Ramboline

Das tut mir sehr leid für Dich.

Ich gehe auch nicht mit meiner Krankheit hausieren, wäge sorgfältig ab, bei wem ich mich oute.

Das hat jedoch auch dazu geführt, daß andere den Mut finden, selbst über ihre Probleme zu sprechen.

Ich muss nicht mehr funktionieren.

Nach der Diagnose habe ich aussortiert und mein persönliches Umfeld meinen Bedürfnissen angepasst. Menschen, die mir nicht gut tun, meide ich.

2
Ramboline  27.01.2023, 14:28
@Giwalato

„Ich muss nicht mehr funktionieren“. Genau das wurde immer und immer wieder von mir erwartet.

Es ist noch nicht lange her, da wurde von mir trotz Bekanntheit meiner Erkrankungen erwartet, schon fast befohlen, dass ich meinen 97jährigen, bewegungsunfähigen Schwiegervater zu uns hole und pflege, obwohl der damaligen Lebensgefährtin, mit der ich überhaupt nichts zu tun hatte und habe, bekannt war, dass ich 10 Jahre meine geh- und sehbehinderte Mutter bis zu ihrem Tod gepflegt hatte, sechs Jahre lang meine Tochter ebenfalls, dass ich überhaupt nicht mehr in der Lage dazu war und bin.

Es interessierte sie kein bisschen, ob ich das überhaupt machen wollte oder konnte, sie fragte nicht mal danach, ob mir das möglich gewesen wäre. Es wurde einfach vorausgesetzt. Da ich die Pflege mehrfach ablehnte, zumal ich auch keine 20 mehr bin, hieß es dann: „… du bist ja noch so ein jungsches Ding, deine Krankheiten werden ja auch wieder besser“.

1
Giwalato 
Fragesteller
 27.01.2023, 16:24
@Ramboline

Es ist völlig normal und richtig, daß Du Deine Bedürfnisse an die erste Stelle setzt.

Es hat bei mir sehr lange gedauert, bis ich gelernt habe, meiner eigenen Wahrnehmung mehr zu trauen als den Vorstellungen anderer Menschen. Von klein auf wurde ich darauf konditioniert, ein braves Kind zu sein und den Ansprüchen der Erwachsenen zu genügen.

Erst nach dem Tod meiner Mutter habe ich das Puzzlestück bekommen, nach dem ich immer gesucht hatte. Das Ergebnis war ein Zusammenbruch.

Seitdem bin ich in Behandlung, inclusive zweier Klinikaufenthalte. Dabei habe ich endlich Zugang zu meinen Resourcen bekommen und gelernt, konsequent nein zu sagen, wenn ich etwas nicht will. Ohne schlechtes Gewissen, inzwischen.

Ich bin immer noch ein sozialer Mensch. Aber ich lasse mich nicht ausnutzen, sondern entscheide selbst, wo und wie ich helfen will.

Du hast schon so viel geleistet in Deinem Leben, weit mehr als viele andere, die schon als Kind lernen durften, daß sie Grenzen setzen dürfen, die auch respektiert werden. Beweisen musst Du niemandem mehr etwas. Und auch nicht jeden Ball auffangen, der Dir zugespielt wird.

Für die Pflege Deines Schwiegervaters sind andere zuständig.

Du darfst an Dich denken.

Genauso wie die Lebensgefährtin das auch tut. Und Dein Mann. Die sich selbst vor Überforderung schützen, indem sie „Nein!“ sagen. Ohne Diskussion.

Du wirst für ein „Nein!“ nicht weniger geliebt. Aber dafür respektiert, wenn Du konsequent bleibst.

2