Psychische Probleme nicht ernst genommen?

Paul123448  08.05.2024, 12:23

Wie alt bist du?

Sabina985 
Fragesteller
 08.05.2024, 12:45

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8 Antworten

Wenn ich alles ernstnehme, kann mich Jeder gängeln und kontrollieren durch sein Dilemma.

Warum werden psychische Probleme oft nicht ernst genommen?

Weil man sie nicht sehen kann... außerdem sind sie immer noch mit einem "Makel" behaftet... warum auch immer

So nach dem Motto du musst ja nur etwas ändern und dich mehr anstrengen.

Wenn dein Therapeut dies sagt, dann ist er nicht der richtige für dich.

Aber es stimtm schon... immer nur klagen, den Grund für alles und jeden auf seine kranke Psyche schieben, das geht nicht... man muss handeln.... sich Hilfe suchen... und das braucht man auch nicht zu verstecken oder sich dafür schämen...

Zudem wird der begriff "Depression" heute inflationär gebraucht... und schon werden die mit wirklichen Depressionen nicht ernst genommen.

Jeder weiss, was man bei einem Schnupfen, einem gequetschten Fuss oder bei Liebeskummer tun soll oder kann.

Aber die meisten wissen kaum etwas über psychische Erkrankungen. Sie erkennen sie entweder gar nicht oder sind, wenn sie die Diagnose hören, ratlos darüber, was das bedeutet.

Noch viel weniger wissen sie, wie man damit umgeht und was dabei helfen könnte. Am wenigsten ist ihnen klar, dass Zuhören manchmal die beste Hilfe ist und Tipps und Ratschläge oft eher kontraproduktiv.

In der Schweiz wurden mehrere Kampagnen zur psychischen Gesundheit, zur Prävention und auch zum Umgang mit Betroffenen gestartet, um die Bevölkerung mehr zu sensibilisieren und zu unterstützen.

Die Kampagne "Wie geht's dir?" soll einerseits helfen, das eigene Befinden besser einschätzen zu lernen und allenfalls Unterstützung zu suchen, andererseits unterstützt es besorgte Mitmenschen darin, jemandem, dem es nicht gut geht, richtig zuzuhören:

https://www.wie-gehts-dir.ch/ (auch in Französisch, Italienisch und Englisch abrufbar)

Die Kampagne "SantéPsy" informiert um verschiedene Themen rund um psychische Gesundheit, psychische Krisen und psychische Erkrankungen. Die Website ist auch in Französisch und Italienisch abrufbar:

https://santepsy.ch/de/

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
IsaJea  08.05.2024, 13:35

Als aller erstes vielen lieben Dank für die tolle Erklärung.

Wenn ich das an einem Beispiel von mir selber Ergänzen darf.

Ich kenne viele bekannte die Sagen, sie haben Depression.
Gut ich habe gemerkt das Sie anders sind wie andere oder wie zu früheren Zeiten.
Aber was ist Depression genau?
Ich hab dann all meinen Mut zusammen genommen und gefragt ob Sie, es war eine Frau, mir erklären kann wie ich mir das vorstellen was Depression ist.
Ja ich kenne Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, das kann ein paar Stunden anhalten, oder auch mal einen Tag wenn das Wetter draußen eh sch... ist. Dann mach ich mir es im Bett gemütlich, und hol vielleicht den verpassten Schlaf nach. Obwohl ich weiß das das nicht geht.

Spätestens an dem Tag wenn ich zur Arbeit muß, bin ich rechtzeitig wieder auf den Beinen.

Will sagen ich kann es nicht nachvollziehen.

Sie hat mir erklärt das Depression ähnlich ist wie Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit, Ängste kommen hinzu. Ein ganzes Potpourri an negativen Gefühlen. Nur viel viel stärker.

Als Außenstehender habe ich nur gesehen das diese Menschen auf nichts Lust haben und sich am liebsten verstecken.

Ich konnte das nicht greifen, nicht nachempfinden.

Jeder Betroffene, so hat Sie mir erklärt, reagiert auch anders.
Fragen ob man helfen kann ist auf jeden Fall gut, sagte Sie mir. Die Hilfe "aufdrängen". Ist schon wieder zuviel.
Oftmals reicht es schon wenn die Betroffenen wissen das Sie hilfe bekommen können. Das Sie reden können und Ihnen hört jemand zu. Ohne gleich Tips und Ratschläge zu bekommen. Oder zu hören, "Ja das hatte ich auch schon."

Es ist doof wenn ich sehe das jemand leidet. Ich mußte aber lernen, das es am Besten ist wenn ich meine Hilfe anbiete. Und der Betroffene entscheiden kann ob er die Hilfe annimmt.

Das sind bisher meine Erfahrungen, insbesondere mit Depressionen bei Betroffenen.

Bestimmt habe ich wieder die hälfte vergessen zu erwähnen, oder falsch Formuliert, falsche Wortwahl. Das bitte ich zu entschuldigen. Ich hoffe es ist verständlich was gemeint ist.

Gerne bin ich offen für neues

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LastDayofEden  08.05.2024, 15:48
@IsaJea

Hey, natürlich war das gut ausgedrückt! Du machst dir viel zu viele Sorgen! :-)

Du hast einen sehr guten Ansatz gefunden: zuhören, Hilfe anbieten, aber auch verstehen, dass man sich nicht aufdrängen sollte.

Wir Menschen haben (fast) alle ein "Helfersyndrom" - wird würden am liebsten sofort losrennen und jemandem in Not helfen. Bestimmt schwingt hier auch noch die religiöse Erziehung, welche über Jahrhunderte unser Denken geprägt hat mit - der barmherzige Samariter hat unsere Empfindungen zum Thema "jemandem in Not helfen" vermutlich weitaus stärker und nachhaltiger geprägt, als uns bewusst ist.

Das Problem ist, dass das ein "Sprint" ist: Wir können losrennen und den armen Mann aus dem Graben retten. Ihm einen Mantel überziehen, ihm Schutz gewähren, ihm zu essen und zu trinken geben. Und womöglich ist er schon am nächsten Tag wieder wohlauf und geht fröhlich und dankbar nach Hause.

Bei einer Depression (die besonders häufig ist, auch als Begleiterkrankung anderer somatischer oder psychischer Erkrankungen) geht das nicht. Eine Depression ist Minimum 4 Wochen lang (das ist so definiert und Teil des Diagnosekriterien-Katalogs).

Wir reden also hier nicht von einem Sprint, sondern mindestens von einem Langstreckenlauf. Für manche wächst sich das sogar zu einem Marathon aus.

Wir können also nicht mit unserem üblichen "Helferarsenal" an die Sache ran. Wir müssen akzeptieren, dass die Sache länger geht, dass sie Kraft braucht, und genau diese Kraft fehlt. Dass die Betroffenen und auch wir uns selbst dabei hilflos fühlen.

Deshalb dürfen wir uns auch als Helfer nicht vorausgaben, sonst laugen wir uns aus. Es ist deshalb auch in Ordnung, jemanden, der leidet, für eine Weile sich selbst zu überlassen. Oder auch eigene Grenzen aufzuzeigen, sofern sie erreicht werden.

Umgekehrt sind es oft die kleinen Dinge, die jemanden in einer psychischen Krise aufmuntern können: Ich schicke zum Beispiel gerne Bilder von der Natur, einem Sonnenaufgang, von einem Schmetterling, einer schönen Blume oder von den Eseln auf dem Nachbarhof. Ein kleiner Gruss dazu - mehr muss das gar nicht sein!

Diese kleinen Lichtblicke sind für Menschen, die eine schwere Zeit durchmachen, oft mehr wert als alle Bemühungen, ihr Leiden schnell zu beenden - weil das eben meist gar nicht realistischerweise möglich ist, sondern eher zu Stress und Überforderung führt.

Ich hoffe, ich konnte ein paar hilfreiche Anregungen geben, die vor allem auch ein Ziel haben sollen: Freundliche Mitmenschen, die besorgt sind um andere, denen es nicht gut geht, einerseits von einem zu "imperativen Helferimpuls" zu entlasten, und andererseits Mittel an die Hand zu geben, die Helfen freudvoll und einfach macht, weil es nicht schwierig ist und tatsächlich etwas bewirkt!

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IsaJea  08.05.2024, 15:54
@LastDayofEden

Danke für Deine lieben Worte.
Ja Du hast mir wirklich hilfreiche Anregungen aufgezeicht. Dafür vielen lieben Dank 🤗💖

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Dir Ursachen liegen möglicherweise in unserer Historie als patriarchisch organisierter Kollektivgesellschaft. Die Gesellschaft hat über Jahrhunderte gut funktioniert, indem "starke Persönlichkeiten" identifiziert wurden, auf die gehört wurde und gleichzeitig die Masse möglichst synchronisiert "funktioniert" hat.
Bei weniger komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen ist es dann kein Ding, Menschen, die nicht "funktionieren", einfach auszuschließen.

Das ist aber ethisch nicht zu vertreten und zum Glück nicht mehr zeitgemäß, weil wir als Gesellschaft auf die Kapazität dieser Menschen dann schlicht verzichten.

Trotzdem wird gerne instinktiv aus Rat- und Ahnungslosigkeit dieses Muster aufgerufen, weil es Teil weit verbreiteter Glaubenssätze ist.

Wer ein Thema mit psychischen Problemen hat, darf sich gerne Hilfe suchen. Aber niemand zwingt jemanden anderen mit deppigen Leuten über Dinge zu sprechen, die wahrscheinlich nur für den Moment nicht gut funktionieren. Man muss sich also nicht verspotten lassen.

Wer Hilfe braucht: In Deutschland kann man sich unter der Nummer 116117 bundesweit einen Therapieplatz vermitteln lassen. Die Therapie zahlt jede Krankenkasse.

Eine Therapie kann helfen, psychische Krankheiten, die die Leistungsfähigkeit einschränken, zu behandeln. Denn die verbreitetsten psychischen Erkrankungen (Depressionen, Angststörungen, etc.) sind heilbar.

Weltwunderling  08.05.2024, 17:12

Also dass es an einer patriarchalen Gesellschaft liegt, ist ne Behauptung ohne Evidenz…

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