Blickwechsel 27. Dezember 2022
Deine Fragen an einen Bergwachtler
Alles zum Blickwechsel

Glaubst du an das Schicksal oder hängt die erfolgreiche Bergung nur von Können und Glück ab?

5 Antworten

Das hat dann schon seinen Sinn, sowohl für mögliche Opfer als auch die weitere Beteiligten. Wenn die Lebensuhr abgelaufen ist, dann ist das so. Für die Helfer ist es die Erfahrung, keine Kontrolle über Leben und Tod zu haben. Das bedeutet nicht, dass ihr Wirken egal ist! Sie haben sich diesen Job ausgesucht, um entsprechende Erfahrungen zu machen.

Wir sind auf der Welt, um zu lernen.

Das ist zumindest meine Sicht auf das Leben.

Darüber muss ich erstmal richtig nachdenken.

Wir geben beim Retten unser Bestes. Manchmal ist das nicht genug. Ich denke, es ist gut, sich in solchen Fällen bewusst zu machen, dass man selbst nicht allmächtig ist und es Kräfte gibt, die stärker sind als wir. Ob das Schicksal, Gott, Glück und Pech oder was auch immer ist, sei da jedem selbst überlassen. Das hilft uns auch selbst, das Erlebte und manchmal auch das Scheitern zu verarbeiten.

DeinGuterFreund 
Fragesteller
 27.12.2022, 14:32

Vielen Dank für deine sehr aufschlussreiche und kluge Antwort 🍀

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Wenn wir Menschen die Komplexität von den vielen hundert Bedingungsgrößen, die bei jeder nicht routinemäßig ausgeführten Handlung eines Menschen zusammenwirken, naturgemüß nicht ständig analysieren können, dann sind wir meistens geneigt, neben den gelernten und gekonnt ausgeführten Handlungsmustern je nach dem Ergebnis der Aktivität (Rettung geglückt oder gescheitert) noch sog. "Schicksalsfaktoren" anzunehmen. Wir sagen dann z.B. "Es hat nicht sollen sein!" Aber das ist für einen der europäischen Aufklärung gegenüber offenen Mitbürger natürlich eine gänzlich unbefriedigende Antwort. Wer sollte es denn sein, der den Erfolg der Handlung verhindern wollte? Da gibt es einfach keine "dunklen Mächte", die ihre Hand im Spiel hatten.

Ich bin auf meinen Waldspaziergängen oft an einer kleinen Kapelle vorbeigekommen. Da steckten hunderte von kleinen Zettelchen um die Marienfigur herum verteilt, alle mit einer ähnlichen Aufschrift: "Maria hat geholfen". Meist bezog sich das auf einen Unfall, bei dem der Betroffene überlebt hat. Ich habe mich dann immer gefragt: "und warum hat Maria bei den Todesfällen nicht geholfen?"

Wir machen uns die Sache zu einfach. Wir neigen so gern dazu geheimnisvolle Mächte zu etablieren, die wie Schicksalsgöttinnen in unser Leben eingreifen. Doch die gibt es einfach nicht. Winzige Parameter von fehlender Haftreibung, Schleuderkräften und dem zufälligen "Dastehen" eines Baumes führen dann z.B. zu einem tödlichen Verkehrsunfall. Wäre der Fahrer in dieser Kurve nur 20 cm weiter links gefahren, hätte die Haftreibung gereicht und er wäre gut zu Hause angekommen. In der Kurve saß kein Kobold und hat das Auto aus der Kurve gestoßen.

Es sind die vielen tausend kleinen Bedingungsgrößen, die unser Handeln ständig mitbestimmen, und wir können uns diesem "großen Spiel der Gegebenheit" nur anvertrauen und mit ein wenig Zuversicht denken, dass bei nicht zu waghalsigem Verhalten unsererseits der Verlauf schon gut werden wird.

So geht es auch den Helfern der Bergwacht: Sie können sich nur nur fit halten, die neuesten Techniken einüben, und mit wachen Sinnen und guter Kondition unter vollständigem Materialeinsatz "ihr Bestes" geben. Meistens gelingt dann auch die Rettung, und beim Scheitern kann man analysieren, lernen und für die Zukunft den einen oder anderen Fehler noch vermeiden. "Schicksalsmächte" sollte man jedoch außen vor lassen, sie führen nur zu Irritation und Verwirrung.

Weder noch!

Mich hat die Schweizer Bergwacht aus einer Gletscherspalte befreit! - Ich danke ihr sehr, sehr, sehr dafür!

Noch heute!

Ich GLAUBE aber, dass die Schweizer Bergwacht mich nur deshalb gerettet hat, weil sie so SUPER gut und professionell ausgebildet waren!

Eine Bergung ist fast immer erfolgreich, geborgen werden nur Tote, lebende Menschen werden gerettet.

Einer der ersten Sprüche, die ich bei der Bergwacht gelernt habe. ;-)