Warum können wir mehr Lichtjahre sehen, als das Universum Jahre alt ist?

8 Antworten

Die Tatsache, dass wir Objekte im Weltall sehen können, die weiter entfernt sind als das Alter des Universums, scheint auf den ersten Blick paradox zu sein. Das liegt daran, dass es sich um eine Frage der Entfernung und der Geschwindigkeit des Lichts handelt.

Licht bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 300.000 Kilometern pro Sekunde. Wenn ein Objekt eine bestimmte Entfernung von uns entfernt ist, dauert es eine bestimmte Zeit, bis das Licht von diesem Objekt zu uns gelangt. Zum Beispiel, wenn ein Objekt eine Million Lichtjahre von uns entfernt ist, bedeutet das, dass das Licht, das wir von diesem Objekt sehen, eine Million Jahre benötigt hat, um zu uns zu ge

MrAlfonso 
Fragesteller
 29.03.2023, 05:38

Also mit der Expansion des Universums hat es nicht zu tun?

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Das tun wir nicht. Das ende des Beobachtbaren Universums liegt bei ca. 13,8 Mrd. Lichtjahren. Alles dahinter können wir nicht sehen, weil uns das Licht von dort noch nicht erreicht hat, weil das Universum dafür noch nicht alt genug ist.

Woher ich das weiß:Hobby – Ich interessiere mich sehr für Astronomie und Raumfahrt.

Dazu versteht man am besten zuerst die...

Hubblekonstante

Unter der Annahme einer linearen Ausdehnung des Universums ist der Skalenfaktor a(t) =D(t)/D0 einer beliebigen Distanz D und der Distanz D0 zum Zeitpunkt t0 im Universum linear abhängig von der Zeit t:

a = da/dt*t (1) mit einer Ausdehnungsgeschwindigkeit

da/dt = H*a (2)

Der Faktor H ist die Hubblekonstante (die besser Hubbleparameter heißen sollte, weil sie nicht konstant ist - in der Tat folgt aus einer linearen Ausdehnung konstante Ausdehnungsgeschwindigkeit da/dt und damit H = 1/t mit 1 in 2 eingesetzt), hat beim Urknall eine Polstelle und nimmt seitdem ab, wird aber nie null.

Kosmologischer Horizont

Man kann nun mit der Lichtgeschwindigkeit c einen Radius rH = c/H definieren, der Hubbleradius genannt wird. Für D = rH ist die Geschwindigkeit v(rH) = c, d.h. theoretisch entfernen sich Objekte in dieser Entfernung mit Lichtgeschwindigkeit von uns (die Spezielle Relativitätstheorie gilt nur lokal und wird dadurch nicht verletzt), und man könnte meinen, dass man dann diese Objekte nie mehr sehen kann, weil ihr Licht nicht gegen die Expansionsgeschwindigkeit ankommt, aber:

1. Licht direkt hinter rH kann es, einmal ausgesandt, mit der Zeit innerhalb von rH schaffen und uns letztlich doch erreichen - die korrekte Rechnung beinhaltet eine Integration der Bewegung mitbewegter Koordinaten und des Lichtsignals von t0 bis unendlich und führt hier zu weit - außerdem...

2. ist die o.g. Annahme der linearen Ausdehnung falsch. Die Ausdehnung unterliegt bremsenden und beschleunigenden Einflüssen (zB die Massendichte einschl. dunkler Materie vs. dunkle Energie), deren Stärke nicht zeitlich konstant war oder sein wird. In Abhängigkeit von diesen Einflüssen kann der Kosmologische Horizont sich bei vorwiegender Bremsung weiter ausdehnen und mehr Objekte sichtbar machen, oder bei vorwiegender Beschleunigung schrumpfen und mehr Objekte verbergen.

Aus diesen beiden Gründen liegt der Kosmologische Horizont nicht beim Hubbleradius, sondern nach aktuellem Stand etwas dahinter (etwa 16 Mrd LJ statt 13,4 Mrd LJ). Mit weiterer Ausdehnung des Universums und sinkender Massendichte könnte die Beschleunigung gewinnen - dann würde der Hubbleparameter auf einen konstanten Wert sinken: die Lösung für die Differentialgleichung da/dt = const*a ist dann eine exponentielle Ausdehnung, die den Kosmologischen Horizont schließlich bis auf gravitativ direkt gebundene Strukturen schrumpfen ließe, und die Reste der Vereinigung aus Milchstraße und NGC224 wären allein in der Dunkelheit.

Partikelhorizont.

Wo aber sind die fernsten Objekte, die wir jetzt schon sehen, wirklich? Als ihr Licht ausgesandt wurde, dh kurz nachdem das Universum transparent wurde, waren sie nur einige Mio LJ entfernt. Während ihr Licht im Raum zu uns unterwegs war, bewegte sich dieser Raum aber mit der Expansionsgeschwindigkeit von uns weg und verlängerte die Reisezeit des Lichtes (und seine Wellenlänge), bis das Licht schließlich hier ankam; inzwischen haben sich die damals aussendenden Objekte bis zum sog. Partikelhorizont entfernt (ca 46 Mrd LJ), also weit hinter dem Kosmologischen Horizont.

MrAlfonso 
Fragesteller
 31.03.2023, 09:28

Wow

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jonschneee  09.04.2023, 18:18

Super Antwort, danke.

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gehe zuerst einmal vom einfachen fall eines statischen, nicht-expandierenden universum aus. wie weit ist ein objekt, von dem licht das es vor 13 Mrd. jahren ausgesandt hat uns heute erreicht, von uns entfernt. die antwort ist simpel: 13 Mrd lichtjahre.

du siehst also dass bereits im falle eines nicht-expandierenden universums die antwort 13 Mrd lichtjahre lautet. wie lautet sie dann wenn man zusätzlich noch hinzu nimmt dass sich das universum in der zwischenzeit immer weiter ausgedehnt hat (was nichts anderes bedeutet als dass sich abstände vergrößern)? die konkrete zahl hängt vom exakten modell der expansion und den dafür relevanten parametern (Hubble-parameter, materiedichte, dunkle energie,...) ab, aber dass es auf jeden fall mehr als 13 Mrd. lichtjahre sein muss ist leicht zu verstehen, denn das war ja oben schon unsere antwort ganz ohne expansion.

Das, was wir sehen, hat sich, seitdem es das Licht in unsere Richtung ausgesendet hat, weiter von uns wegbewegt.

Wir sehen, wo es war und wissen, wie schnell es sich wegbewegt. Damit wissen wir, wo es heute ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Abschluss als Diplom-Physiker