Wie weit können unsere Radiosignale reisen?

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Hallo Saubernaturli,

Radiosignale sind elektromagnetische (EM) Wellen, genau wie Licht, Röntgen- und Gammastrahlung. Und die werden umgekehrt zum Quadrat der Entfernung schwächer.

Dann gibt es noch eine Signaldämpfung, die aber nur innerhalb eines Mediums, wie unserer Atmosphäre von Bedeutung ist. Im Vakuum ist sie irrelevant.

Ich beziehe mich deshalb auf einen Sender und einen Empfänger im Weltraum. Sofern eines, oder beides, sich auf einem Planeten befinden, muß die Sendeleistung entsprechend erhöht werden, bzw. darf die Sendeleistung erst außerhalb der Armosphäre gemessen werden.

Die Trägerfrequenz ist für die Reichweite (im Vakuum) grundsätzlich unerheblich. Jedoch sollte sie genügend weit vom Maximum des kosmischen Hintergrundrauschend entfernt liegen, weil sie andernfalls relativ früh verschluckt würde.

Eine isotrope Sendeleistung (wie der terrestrische EM-Smog) fällt wegen 1/r² relativ schnell unter die Nachweisgrenze. Die läßt sich mit entsprechend empfindlichen Antennen aber deutlich steigern. Aliens, die im Weltraum große, sehr empfindliche Schüsseln betreiben, könnten unseren EM-Smog durchaus in einigen hundert Lj Entfernung detektieren - nur detektieren, nicht entschlüsseln. Sie könnten also nur festetellen, daß es hier künstliche EM-Quellen gäbe.

Eine gerichtete Sendung gehorcht ebenfalls der Charakteristik 1/r², jedoch mit enorm höherer Leistung innerhalb des Richtkegels. Überschlagsweise wären das bei 1 Grad Öffnungswinkel die 360*360-fache Leistung eines isotropen Senders. Dabei gibt es allerdings erhebliche Verluste - nehmen wir nur 50 % der theoretischen Maximalleistung.

Eine isotrope Sendeleistung, die in 1 Lj Entfernung noch detektierbar wäre, würde mit einem 1-Grad-Richtsender deshalb in etwa 50.000 Lj noch nachweisbar, aber nicht dekodierbar sein.

Letztlich hängt die Reichweite somit von der Sendeleistung, dem Öffnungswinkel des Sendekegels und der Frequenz ab. Je enger der Öffnungswinkel und je höher die Sendeleistung und je störungsärmer der Frequenzhintergrund, desto weiter reicht das Signal.

Die Arecibo-Schüssel kann mit einer Leistung von bis zu 20 GW betrieben werden - ihren Öffnungswinkel kenne ich nicht.

Ich schätze aber, daß deren Sendeziele in bis zu 20.000 Lj Entfernung keineswegs zu hochgestochen sind. Und zwar mit einer dekodierbaren Empfangsmöglichkeit. Die detektierbare Reichweite dürfte mindestens quer durch die Milchstraße reichen. Mit einem entsprechend stärkeren Sender, oder engerer Bündelung, können wir durchaus quer durch die Milchstraße dekodierbare Signale senden.

Ob solche Sendungen sinnvoll sind wage ich aber zu bezweifeln, denn da gibt es einige gravierende Probleme:

Falls uns jemand in 20.000 Lj Entfernung empfängt, dann erreicht uns dessen Antwort nämlich erst in 40.000 Jahren - ich wage zu bezweifeln, daß das Interesse daran groß ist.

Außerdem setzt das voraus, daß die andere Seite uns permanent beobachtet, also einen entsprechend leistungsfähigen Empfänger auf uns gerichtet hat. Wenn wir nämlich z.B. einen Tag eine Nachricht mit vielen Wiederholungen senden und die irgendwo ankommt, dann liegt dort das Zeitfenster bei nur einem Tag. Drehen die ihren Empfänger nicht zur gleichen Zeit in unsere Richtung, dann werden sie genau garnichts empfangen.

Das wissen irgendwelche Aliens, sofern die uns zufällig empfangen, natürlich auch. Ob die Interesse an einer Antwort haben, die erst Jahrzehntausende später bei uns ankommt und die voraussetzt, daß wir genau zur richtigen Zeit in ihre Richtung lauschen?

Schönen Gruß


nax11  07.11.2019, 15:46

Nachtrag:

Mir ist oben entgangen, daß du auch fragtest, "ob unsere Radiosignale das ganze Universum erreichen können" ?

Das wird etwas schwierig, weil wir nun mal nicht mit der Energie eines Quasars senden können. Und wir können den Sendekegel auch nicht so eng bündeln, daß wir auf diesem Weg auf extreme Reichweiten kommen.

Wir können aber ein anderes Verfahren benutzen, das naturgemäß einen extrem kleinen Offnungswinkel hat: Laser!

Ein Terawatt-Kommunikationslaser im Orbit, also ohne störende Atmosphäre, könnte tatsächlich eine Reichweite von Milliarden Lj haben.

Den haben wir aktuell nicht und schon garnicht im Orbit - aber wer weiß, was die Zukunft noch bringt?

Allerdings wird es schwierig, mit einem Hochleistungslaser auf eine entsprechend weit entfernte Galaxie zu zielen - die bewegen sich auf große Distanzen nämlich extrem schnell.

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nax11  08.11.2019, 11:10

Danke für das Sternchen

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Radiosignale reichen theoretisch unendlich weit wenn ihnen nichts in den Weg kommt. Die Hintergrundstrahlung z.B. die vom Urknall übrig geblieben ist kann auch heute noch gemessen werden, Das ganze Universum werden sie aber nicht erreichen, noch nicht einmal das sichtbare Universum. Denn das Universum expandiert ständig und die entferntesten Teile des Universums werden irgendwann selbst für elektromagnetische Strahlung unerrreichbar.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Masterstudium Physik

rumar  07.11.2019, 14:02

"noch nicht einmal das sichtbare Universum. Denn das Universum expandiert ständig und die entferntesten Teile des Universums werden irgendwann selbst für elektromagnetische Strahlung unerrreichbar."

Man kann durch eine relativ einfache Rechnung zeigen, dass dies wohl nicht richtig ist, trotz Expansion !

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rumar  07.11.2019, 18:32
@MonkeyKing

Guten Abend, man kann dies durch Integralrechnung zeigen (Reise mit konstanter Geschwindigkeit auf einem expandierenden "Gummiband"). Der Hauptgedanke ist der, dass man (bzw. der Lichtstrahl) durch die Expansion "mitgetragen" wird. Im Moment bin ich aber leider nicht in der Lage, die Rechnung vorzuführen, da ich mich verletzt habe und ins Spital muss.

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rumar  07.11.2019, 19:46
@MonkeyKing

Danke. Aber doch noch eine Bemerkung: ich bin von "normaler" Hubble-Expansion (mit konstantem H) ausgegangen und davon, dass der "Rand" des beobachtbaren Universums sich kurz nach dem Urknall mit Lichtgeschwindigkeit von einem (beliebigen, hypothetischen) Beobachtungspunkt entfernte. Unter diesen Voraussetzungen kann ein jetzt von irgendwo ausgesandter Lichtstrahl auch jeden Punkt des von da aus sichtbaren Universums erreichen - allerdings vielleicht erst nach sehr, sehr, sehr langer Zeitdauer.

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MonkeyKing  07.11.2019, 21:09
@rumar

In einem Video (https://www.youtube.com/watch?v=kZ3M6ko9pes) wurde es so dargestellt dass das Nicht Beobachtbare Universum unter Umständen um ein Vielfaches größer ist als das Beobachtbare. Ich weiss nicht wie das mit deiner Aussage zusammenpasst oder wie fundiert die Aussagen des Videos sind - dazu bin ich nicht tief genug in der Materie drin. Mich interressiert das Thema aber da ich mich zwar schon sehr lange für Astrophysik interessiere aber erst vor relativ kurzer Zeit auf die Begriffe des Beobachtbaren und Nicht Beobachtbaren gestoßen bin. Ich habe das gedanklich noch nicht durchdrungen.. Deine Meinung zu dem Video würde mich interessieren.

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rumar  07.11.2019, 21:43
@MonkeyKing

Hallo MonkeyKing, danke für das Video. Ich finde es in Ordnung - kann aber im Bereich, wo es auch um "beschleunigte Expansion" geht, wohl nicht mehr ganz fundiert mitdiskutieren. Und leider habe ich jetzt für die kommenden Wochen wohl wieder ein schmerzhaftes und sehr irdisches Problem ...

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Theoretisch reichen Radiowellen unendlich weit.

Genau auch wie Licht.

Und wir können (per nacktem Auge) sogar das Licht von der Andromeda-Galaxis im Abstand von 2,5 Millionen LIchtjahren sehen.

Allerdings wird die empfangene Signalstärke in der Antenne natürlich sehr schnell recht gering. Denn die Intensität der Radiowellen nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab.

Und von der Andromedagalaxis sehen wir zwar einen kleinen verwaschenen sternförmigen Punkt, aber das ist das Restsignal von ca. 150 Milliarden Sternen.

Und wenn man dann noch überlegt, dass die Sendeleistung aller Radiosender auf der Erde zusammen natürlich um viele Größenordnungen kleiner ist als die Lichtleistung der Sonne, dann kann man sich schnell vorstellen, dass die Radiowellen zwar unendlich weit reichen, aber doch nur in recht geringer Entfernung (etwa unser Sonnensystem) sinnvoll empfangen werden können.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Das kannst Du berechnen.

Frequenz, Sendeleistung, Antennencharakteristik und Umgebung spielen eine Rolle. Allgemein gilt aber:

Die Reichweite von Funksignalen ist geringer, je höher der Frequenzbereich ist, in dem gefunkt wird. Das gilt aber nur, wenn die Funksignale omnidirektional, oder sektorweise, abgestrahlt werden.

Anderst sieht das beim Einsatz von Richtantennen aus. Hier kehrt sich das Verhalten um: Das Funksignal wird bei gleicher Sendeleistung mit höherer Frequenz besser und hat eine höhere Reichweite.

Weitere Erläuterungen im Detail, Formeln und Berechnungen siehe z.B. hier:

https://www.elektronik-kompendium.de/sites/kom/0810301.htm

Sie breiten sich immer weiter aus, erreichen also (irgendwann) das gesamte Universum, werden jedoch i.d.R. zur Entfernung quadratisch schwächer.