Blickwechsel 22. März 2023
Deine Fragen an eine psychisch kranke Erzieherin im Arbeitsleben
Alles zum Blickwechsel

Wie transparent bist du mit deiner/deinen Krankheiten?

4 Antworten

Hey,

also damals habe ich es der Kitaleitung schon beim Bewerbungsgespräch gesagt. Und im Team nur einzelnen Kolleginnen erzählt, mit denen ich mich gut verstanden habe.

Den Eltern habe ich das nicht erzählt. Also ein "Hallo, ich bin Emely und psychisch krank" käme auch echt seltsam. Wie das geworden wäre, hätte mich ein Elternteil (oder andere Angehörige des Kindes) z.B. in der Psychiatrie gesehen hätten, das weiß ich nicht.

Ich kenne aber auch Elternteile, die in die Klinik waren oder unter Depressionen und co. leiden. Durch meine Erkrankung konnte ich da z.B. schonmal Hilfestellen nennen.

Ich verstehe, dass Du keine psychisch kranke Erzieherin einstellen wollen würdest. Dazu möchte ich auch was sagen: Es sind viel mehr Menschen in sozialen Berufen psychisch krank, als Du vielleicht denkst. Und eine psychische Erkrankung ist nicht direkt "gefährlich" oder so. Ich bin nämlich sehr reflektiert und therapeutisch angebunden, ich kenne meine Grenzen, meine Fähigkeiten undundund.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Verschiedene psychische Diagnosen und Therapieerfahrungen

"Psychische Erkrankung" ist jetzt natürlich ein wirklich weites Feld und es gibt natürlich psychische Erkrankungen, bei welchen man nicht für den Umgang mit Kindern geeignet wäre.

Andersherum ist es so, dass man bei vielen psychischen Erkrankungen "normal" beruflich tätig sein kann. Die Schwierigkeit besteht u. U. für den psychisch Kranken, der mehr Energie aufbringen muss. Das betrifft aber gleichermaßen Menschen, die körperlich behindert sind.

Oftmals ist es so, dass Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen besonders sensibel und feinfühlig sind. Ich habe schon viele Erzieher erlebt, die ihre Hauptaufgabe nur noch in der Beaufsichtigung der Kinder gesehen haben und auch einige, die einfach wollen, dass die Kinder in der Gruppe funktionieren. D. h. die Kinder werden schon gar nicht mehr als Individuum wahrgenommen. Da haben Erzieherinnen mit bestimmten Erkrankungen teils einen ganz anderen Zugang zu den Kindern und wenn ich ehrlich bin, ist mir ein solch persönlicherer Umgang wesentlich lieber und erscheint mir auch wichtig für das Kind. (Ich hoffe es ist klar: ich weiß, es gibt auf beiden Seiten solche und solche...)

Liebe Grüße

Ich bin Erzieherin und verstehe deine Frage sehr gut.

Aber verallgemeinern kann man das wirklich nicht. Ich habe eine Kollegin gehabt, die in klinischer Behandlung wegen Depressionen gewesen ist und deren Umgang, gerade mit verhaltensoriginellen Kindern, platt gesagt „unter aller Sau“ war. Man vergisst oft, dass eine mögliche Auswirkung von Depressionen auch Gereiztheit sein kann.

Eine andere Kollegin war - trotz Depressionen- fachlich klasse und wirklich lieb zu den Kindern.

Beide Phänomene findet man auch bei gesunden Erziehern.

Eine Form der Depression, die man so nett mit Burn out umschreibt, findest du unter Erziehern übrigens immer mehr. Das hat auch was mit den steigenden Belastungen und dem Fachkräftemangel zu tun.

Was psychische Krankheiten betrifft, so gilt allgemein noch heute durch Unwissenheit, Ignoranz, Besserwisserei usw. die goldene Regel: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!

Wie du an deiner eigenen Frage erkennen kannst, bist du voreingenommen, wirst jedoch noch niemals eine Depression am eigenen Körper gespürt haben, so dass du diese Krankheit nicht nachempfinden kannst. Man sagt nicht umsonst, dass man diese Krankheiten nur verstehen kann, wenn man sie am eigenen Körper gespürt hat.

Depressive sind sehr gute Schauspieler, so dass der psychische Zusammenbruch oft erst nach getaner Arbeit einsetzt.