Ist die EU mit dem "Heiligem Römischen Reich Deutscher Nationen" vergleichbar?

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Das Hl. Röm. Reich deutscher Nation wird zum ersten Mal 1254
als „Heiliges Römisches Reich“ urkundlich erwähnt und ab ca. 1486 mit dem
Zusatz „deutscher Nation“ versehen. Vor 1250 hieß das Gebilde Deutsches
Kaiserreich. Es erhob allerdings schon früh – ab Otto dem Großen 962 – den Anspruch, die Gebiete des ehemaligen römischen Reiches zu beherrschen; deshalb das Bestreben der deutschen Kaiser, sich in Rom krönen zu lassen und Italien, ja sogar Unteritalien mit Sizilien (Heinrich VI.!) zu beherrschen. In der Theorie (gem. der Kaiseridee Karls des Großen) sollte auch Frankreich (Gallien) dazu gehören, doch das war in der Praxis nicht möglich.

Der Grundgedanke des Ausgreifens deutscher Kaiser auf fremdes Territorium war – wie z.Z. Karls des Großen -  der Schutz der Kirche bzw. dessen Oberhauptes, des Papstes. Diese Idee ist schon bald, heute total verschwunden. Die Idee aber, Europa zusammenzufassen und unter einem Kaiser zu regieren, kann man heute nur ironisch auf die EU beziehen, so z.B. hat Marine Le Pen einmal Frau Merkel als Kaiserin von Europa tituliert.

Im Übrigen ist die Hauptidee der EU der Friede in Europa, Herrschaft von Demokratie und Menschenrechten und das Zusammenwachsen der Mitgliedsländer (durch den freien Markt, die Freizügigkeit innerhalb der EU, die Aufhebung der Binnengrenzen und die gemeinsame Währung).

Auch sonst ist kaum ein Vergleich mit dem Hl. Röm. Reich möglich. Dort waren die Mitglieder, die deutschen Länder, alle selbständig (souverän), zumindest ab 1648. Heute haben die Mitgliedsländer einige Souveränitätsrechte an Brüssel abgegeben. In der EU gibt es das EU-Parlament in Straßburg, das auch die Brüsseler Kommissare und den Kommissionspräsidenten (Junker) bestätigen muss, die dann – gem. den abgetretenen Souveränitätsrechten - Europa regieren. Aber daneben gibt es immer noch den Rat der Regierungsschefs der Mitgliedsländer, die – unabhängig von Brüssel – (einstimmig) Beschlüsse für Europa fassen.

Im Hl. Röm. Reich gab es nur den Reichstag (von Regensburg), der sog. „Schlüsse“ fasste, die aber auch einstimmig gefasst werden mussten, sollten sie in den Mitgliedsländern verbindlich sein. Der Kaiser hatte gemäß seiner herausragenden Stellung nur gewisse Einflussmöglichkeiten, keine Regierungsrechte. Schon gar nicht waren die Mitgliedsländer demokratisch verfasst, und Freizügigkeit und eine gemeinsame Währung gab es auch nicht. (Viele Währungen gab es: z.B. Heller, Pfennig, Kreuzer, Gulden u.a. Auch die Einführung des Reichstalers [= 68 Kreuzer] konnte daran nichts ändern).

Heilige Römische Reich Deutscher Nationen

Ungeachtet dessen, das es vielleicht diese Bezeichnung wirklich einmal gegeben haben soll, wäre diese nicht ein Widerspruch in sich? Ich meine, was soll es nun sein, römisch oder deutsch? Beides auf einmal geht nicht.


Dhalwim  09.07.2016, 10:22

Bin mir nicht sicher, aber meinst du nicht, dass es auch "Römisch-Deutsch" gewesen sein könnte?

Ich meine es gab schließlich auch "Österreich-Ungarische" Monarchie. Oder "Bosnien und Herzegowina".

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JTKirk2000  09.07.2016, 11:28
@Dhalwim

Schaue Dir mal an, wo Österreich und Ungarn liegen, wo Bosnien und Herzegowina liegen, und dann im Vergleich dazu, wo Deutschland und Italien liegen. Ich denke, Du wirst bei den ersten Beispielen mit jeweils zwei Nationen eine geographische Gemeinsamkeit bemerken. die an letzterem nicht gegeben ist, nämlich die, dass Österreich und Ungarn und ebenso Bosnien und Herzegowina geographische Nachbarn sind, was bei Deutschland und Italien mitnichten der Fall ist.

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Klaraaha  09.07.2016, 11:29
@Dhalwim

Das "heilige römische Reich deutscher Nation" wurde vom Karl dem Großen gegründet mit Hilfe des Papstes, deshalb " heiliges römisches" Reich. Es umfaßte  viele europäische Länder, ging bis nach Prag oder so. Da gibt es heute ja auch noch Denkmäler vom Karl, die Stadt Karlsbad usw. Es dauerte insgesamt so um die 1000 Jahre, wurde immer kleiner und der letzte Rest ging nach dem 1. Weltkrieg mit dem Habsburger Reich zuende. Deshalb betrachtet man es geschichtlich auch das 1. Reich, das 2. Reich war das Kaiserreich in DE und das 3. Reich das auch 1000 Jahre gelten sollte, war eine Spinnerei eines gewissen Adolfs, der wieder mal so was gründen wollte. Mit der EU von heute hat das aber wenig bis gar nichts zu tun.

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JTKirk2000  09.07.2016, 11:50
@Klaraaha

Mit diesem Link http://www.heiliges-römisches-reich.de hätte man wohl so einige Missverständnisse ausräumen können, aber ganze 1000 Jahre hat es mit Sicherheit nicht gehalten. Die letzte Angabe bezieht sich auf das Jahr 1806 während es laut dieser Quelle im Jahr 962 gegründet worden sein soll. Selbst wenn der letzte Rest erst nach dem ersten Weltkrieg erst mit dem Habsburger Reich zu Ende ging, so endete dies im Jahr 1918, also nach allenfalls 956 Jahren, aber eben nicht 1000 Jahren. Wenn die von Dir erwähnten die drei Reiche darstellen sollten, was ist dann mit dem römischen Reich und die ganzen anderen Reiche, die unter dem folgenden Link Erwähnung finden? http://www.science-at-home.de/wiki/index.php/Liste_der_historischen_Weltreiche

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Klaraaha  09.07.2016, 12:13
@JTKirk2000

Das war speziell auf DE bezogen. Im Geschichtsunterricht wurde uns das mal so erklärt, was mit 1.2. und 3. Reich gemeint war, weil das kein Schüler so genau wußte.

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JTKirk2000  09.07.2016, 12:19
@Klaraaha

Offenbar wird das im Geschichtsunterricht unterschiedlich gehandhabt.

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Ruenbezahl  09.07.2016, 17:01
@JTKirk2000

Zur Zeit des heiligen römischen Reiches deutscher Nation gab es weder Deutschland noch Italien in den heutigen Grenzen. Das heilige römische Reich deutscher Nation grenzte sehr wohl an Gebiete, die zur heutigen Republik Italien gehören. Einige davon, und zwar die, die nicht italienisch sind wie z. B. Tirol, gehörten auch zum heiligen römischen Reich deutscher Nation.

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In der Geschichtswissenschaft gibt es Werke in denen das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) mit der EU oder mit der UN oder aber die Hanse mit der EU oder UN verglichen werden, mit dem Resultat, das eine sei Vorläufer des anderen. Solche Ausarbeitungen erhalten, wie ich denke, zurecht einiges an Kritik. Diese Projektion ist auch aus meiner Sicht her nicht sinnvoll.

Ob das Heilige Römische Reich (in manchen Punkten) als Vorbild dienen kann, weiß ich nicht. Manche meinen schon.

Die römisch-deutschen Kaiser beabsichtigten zudem kein Europa umfassendes Reich. Das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) sollte außerdem in der Tradition des Römischen Reichs stehen, war jedoch nicht auf eine "römische Einheit" ausgerichtet, insofern du damit einen ausgeprägteren Zentralismus meinst und/oder einen radikalen Expansionsvorsatz. Die EU hat wiederum nichts mit Rom am Hut. Eine deutsche Hegemonie hat es im Heiligen Römischen Reich zudem nicht gegeben. Die deutschen Länder bildeten stets den Großteils des Gebiets und waren zeitweise die einzigen im Heiligen Römischen Reich. Die norditalienischen Staaten waren aber deshalb nicht ernsthaft in einer deutschen Machtsphäre, zumindest nicht in dem Sinne, wie man es auf dem Hintergrund des erst viel später entstandenen modernen Nationalismus verstehen könnte.

Erstmal heißt es "...deutscher Nation", denn es gibt nur eine. 

Die Unterschiede sind riesig. 

Das HRRDN ist niemals Vorbild für die EU gewesen. 

Das HRRDN wollte niemals ganz Europa umfassen, es umfasste Deutschland, Benelux, Ostfrankreich, Schweiz, Österreich und Norditalien, mehr nicht. 

In der EU gibt es keine deutsche Hegemonie, während der Kaiser ja formal Staatsoberhaupt in allen Teilen des HRRDN war. 

Instutitionen völlig unterschiedlich: Im HRRDN Lehnswesen, Feudalgesellschaft. 

Die EU will in keiner Weise das Römische Reich wiederherstellen.

Wie kommst du denn auf diesen abwegigen Vergleich?

Da ist einem Lehrer mal eine Frage gelungen, mit deren Beantwortung man eigenes Verständnis beweisen kann, weil es dazu nicht eine richtige Antwort gibt, schon wird ein Meinungsbild abgefragt.

Aber Vorsicht: Manche Antworten sind so originell, dass selbst ein ungeschickter Lehrer erkennen kann, dass sie nicht von dir stammen können.

Ich erinnere mich noch an einen Fall, wo eine Durchschnittsschülerin eine so gestelzt formulierte falsche Antwort gab, dass ich überzeugt war, sie habe sie abgeschrieben. Auf dem Weg in den Buchladen traf ich sie, sprach sie an und erfuhr: Ja, es waren "Königs Erläuterungen" gewesen. Da hatte ich Geld gespart und wieder ein besseres Bild von der Schülerin.