Was ist rückblickend der/die unsinnigste Ratschlag/Weisheit, die euch in der Kindheit von Erwachsenen erzählt wurde?

5 Antworten

Also ich würde nicht sagen, dass ich die Schulzeit vermissen würde, dennoch muss ich sagen, dass es eine überwiegend schöne Zeit war. Und darauf bin ich selber gekommen, nicht durch meine Eltern. Und du hast schon recht, man sollte sich auch auf das Älterwerden freuen. Das ist ein guter Aspekt.

Was nicht gestimmt hat, war "Du wirst durch die Bundeswehr ordentlicher."
Nach dem Bund war ich wieder genauso unordentlich wie vorher, war also nicht nachhaltig. :)

Einige Lehrer vermisse ich nicht, andererseits gab es aber auch gute Lehrer und nette Mitschüler, an die ich mich ganz gerne zurückerinnere. Dennoch hat auch das Erwachsenenalter seine Vorzüge. Heute kann ich das lesen, was ich möchte, und werde nicht mehr dazu "genötigt", Literatur zu lesen, die mir selber nie zugelegt hätte.

Aber ich muss auch sagen, dass es manchmal gut war, mit Sachen konfrontiert zu werden, auf die ich selber nie gekommen wäre. Meine Liebe zur klassischen Musik hat auch mit der Schule zu tun.

Ich weiß noch sehr gut: für Englisch sollten wir im Fernsehen "Macbeth" schauen. Das war eine italienische Oper (Vertonung von Giuseppe Verdi). Unser Englischlehrer fand das anschließend langweilig, die Schüler auch. Aber ich war der einzige, der von Verdis Musik fasziniert war. Und seit dieser Zeit bin ich ein Fan von Shakespeare und von Verdi. Diese beiden zusammen waren ein kongeniales Team (das sich aber nie getroffen hatte, Shakespeare lebte lange vor Verdi), mir war das damals klar geworden.

Eine Zeitlang wollte ich sogar mal Dirigent werden, aber durch mein naturwissenschaftliches Studium gab es keine Zeit für etwas anderes. Man kann halt nicht alles machen. Aber die Liebe zur Musik blieb. Und auch viele Jahre später noch besuchte ich Shakespeare-Aufführungen, sogar einmal in Schweden.

Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es (scheinbar) "unnötige" Sachen gibt, die einen dennoch weiterbringen. Musik oder Kunst zum Beispiel. Ich bin auch kein Gegner von Latein, im Gegenteil, ich bin heute noch froh, Latein gehabt zu haben. Wir haben heute ein Kulturdefizit, weil wir oft die Tendenz haben, alles auf die "notwendigen" praktischen Dinge zu reduzieren.

Es gibt nur recht wenige Menschen, die meine Kombination Chemie (mache ich beruflich) und Musik (Hobby) ebenso haben. Alexander Borodin vielleicht, der war ein russischer Komponist, zugleich aber auch ein Chemiker. Bekannt wurde er wohl eher durch die "Polowetzer Tänze".

Übrigens haben sich meine Eltern mit Ratschlägen meist zurückgehalten. Weder waren meine Eltern musikalisch noch sonderlich naturwissenschaftlich orientiert. Meine Eltern waren aber großartig darin, mir die nötigen Freiheiten zu lassen. Aber die Liebe zu Tieren und zur Natur habe ich wohl von ihnen.

Einer meiner Opas hat gemalt. Der andere Opa war in russischer Gefangenschaft, wo er Schachfiguren aus Holz geschnitzt hatte. Beim Schachspiel bin ich bis heute geblieben (auch so etwas, was Russen gerne tun, dabei habe ich aber keine verwandtschaftlichen Beziehungen dorthin). Bei uns in der Familie galt immer, dass man Menschen die nötige Freiheit lassen sollte.

Meine Oma sagte immer: "der eine isst gerne Leberwurst, der andere geht gerne in die Kirche". Recht hat sie damit gehabt.

Was ist rückblickend der/die unsinnigste Ratschlag/Weisheit, die euch in der Kindheit von Erwachsenen erzählt wurde?

Ich erinnere mich, dass ich immer den Teller leeressen musste - damit es am nächsten Tag schönes Wetter gäbe. 🙄

Was sich für mich rückblickend als Schwachsinn (oder zumindest sehr beschränkte Pauschalaussage) herausgestellt hat, ist die Aussage, dass man sich später als Erwachsener noch oft in die Jugend/Schulzeit zurückwünschen würde und man froh sein sollte über diesen tollsten Lebensabschnitt von allen...

Naja, das ist eine höchst individuelle Erfahrung. Ich hatte eine schöne Kindheit mit Eltern und Großeltern, bin auch gerne zur Schule gegangen. Meine Eltern haben viel gearbeitet, um sich einen kleinen Wohlstand leisten zu können, von dem auch ich profitiert habe, wie ich als Erwachsener dankbar anerkenne. Sie haben mir Schulausbildung und Studium ermöglicht, um den Beruf zu ergreifen, den ich wollte. Meine Großeltern lebten in einem Arbeiterhäuschen mit Plumpsklo und Kleinlandwirtschaft. Es wehte bei ihnen und ihrem Alltag, heute weiß ich es, der Hauch einer vergangenen Zeit nach, ihrer Lebenszeit, die von Kaiserreich, Weltkrieg, Weimarer Republik über Nazizeit mit Bombenkrieg und die "Bonner Republik" reichte. Diese Erfahrung hat historische Interessen in mir geweckt. Meine Großeltern waren auch als Rentner immer geschäftig und fleißig in Garten und Haus, brachten mir die Schönheiten sowie den Nutzen der Natur nahe. Ich habe von Eltern und Großeltern gelernt, dass man arbeitsam und fleißig sein muss, wenn man ein auskömmliches Leben führen will. Meine Eltern eröffneten mir über ihre Urlaube auch einen Blick in die europäische Umgebung und ihre Kulturen. Insgesamt war es eine unbeschwerte Zeit, an die ich zumindest mit einer gewissen Wehmut zurückdenke. Wünsche ich mir diese Zeit zurück? Nicht alles natürlich, aber manches schon, z. B. den persönlichen Kontakt zu lieben Menschen, die nicht mehr sind.

Mag ja sein, dass für einige Menschen die Jugend die beste Zeit war,

Die Jugend i.w.S. mit Studium, dem folgenden beruflichen Engagement und Familiengründung war freilich eine sehr gute Zeit! Die beste? Das werde ich wohl erst am Lebensende beurteilen können.

aber ich finde es schade, dass man weniger ermutigt wird, sich auch auf das Älterwerden zu freuen.

Ein berühmter, leider schon verstorbener Schauspieler und Showmaster hat seine Memoiren betitelt: Älterwerden ist nichts für Feiglinge. Da hat er vollkommen recht. Soll man sich freuen, dass man älter wird? Nun, man sieht wohl viele Dinge gelassener als früher. Vielleicht denkt man auch mehr an sich als in jungen Jahren. Aber das liegt wohl eher daran, dass man mit seinen Kräften auch sorgsamer haushalten muss. Auch wundert man sich, dass Dinge und Einstellungen, deren Berechtigung eine gewisse Lebenserfahrung empirisch bewiesen hat, plötzlich nichts mehr gelten und ohne Not missachtet werden. Die Menschheit hat derzeit einen unguten Weg in die Zukunft beschritten! Ich bezweifle, dass man sich darauf "freuen" sollte.

Das würde vielleicht dazu beitragen, dass man sich als Teenager, der es nicht besser weiß, weniger unter Druck setzt und weniger Angst vor'm 30. oder 40. Geburtstag hat.

Ein solches Gefühl ist mir fremd. Das Älterwerden ist der Lauf der Natur und nicht aufzuhalten. Der 30., 40., 50. ... Geburtstag war/ist mir eigentlich egal, solange das Leben lebenswert bleibt. Ich empfinde weder Freude noch Angst vor den verschiedenen Zeitabschnitten. Man hofft vielleicht, ein hohes Alter zu erreichen, aber sollte der Zeitpunkt kommen, dass das Leben nicht mehr lebenswert ist, will ich die Freiheit haben, um zu sagen: Es ist genug! Das hat nichts mit Freude oder Angst, sondern mit Vernunft zu tun!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Bellbellbell 
Fragesteller
 16.05.2024, 06:48
Ich erinnere mich, dass ich immer den Teller leeressen musste - damit es am nächsten Tag schönes Wetter gäbe.

Boah, das ist ja sowas, was ich aus pädagogischer Sicht so falsch finde. Dadurch lernt das Kind doch nur, sein eigenes Bedürfnis zu ignorieren und trotz Sättigungsgefühl weiterzuessen. Was wiederum nicht gerade förderlich ist für ein gesundes Verhältnis zu Essen und Ernährung. Essstörung oder Übergewicht vorprogrammiert.
Darf ich fragen, ob dich das nachhaltig irgendwie beeinflusst hat in Bezug auf dein Essverhalten? Isst du immer noch auf, auch wenn du schon satt bist oder hat sich sonst irgendein ungesundes Verhaltensmuster entwickelt? (musst du natürlich nicht beantworten, wenn dir das zu persönlich ist :))

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ArnoldBentheim  16.05.2024, 16:11
@Bellbellbell
Darf ich fragen, ob dich das nachhaltig irgendwie beeinflusst hat in Bezug auf dein Essverhalten? Isst du immer noch auf, auch wenn du schon satt bist oder hat sich sonst irgendein ungesundes Verhaltensmuster entwickelt? (musst du natürlich nicht beantworten, wenn dir das zu persönlich ist :))

Ich antworte dir gerne. Nein, wirklich beeinflusst hat es mein Essverhalten auf Dauer nicht. Dafür hat dann später schon meine liebe Frau gesorgt. 😉 Wir ernähren uns recht ausgewogen und gesund - wenigstens versuchen wir es. Wenn ich satt bin, beende ich die Mahlzeit. Ich überfresse mich nicht, denn, das lehrt die Erfahrung, man fühlt sich danach nicht gut.

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Die Erfahrung, dass gesagt wurde, man würde sich noch einmal in seine Schulzeit zurückwünschen und das bei mir bis heute nicht der Fall ist, kann ich nur teilen.

Dann gab es die "geflügelten" Worte wie "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" oder "Schuster bleib bei deinen Leisten", die wie in Stein gemeißelt waren und die ich nicht bestätigen kann.

Ich muss allerdings auch sagen, dass mir tatsächliche Weisheit so gut wie nie begnet ist. ;-)


Bellbellbell 
Fragesteller
 15.05.2024, 20:52
"Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr"

Ach, ist das die lahme Ausrede, warum viele erwachsene Menschen sich weigern an sich zu arbeiten, und das umso mehr je älter sie werden? :D

Ich muss allerdings auch sagen, dass mir tatsächliche Weisheit so gut wie nie begnet ist.

Um tatsächliche Weisheit zu erlangen braucht es ja auch so einiges, wozu viele nicht bereit sind leider. Und sie ist eben nicht direkt jedem auf die Stirn geschrieben. Also wer weiß, wie vielen Weisen du schon begegnet bist, die du einfach nur nicht als solche erkannt hast:)

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Ginkgo926  16.05.2024, 11:07
@Bellbellbell

Wenn sie nicht mit mir gesprochen haben, habe ich sie natürlich auch nicht erkennen können! ;-)

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An das Christkind, den Weihnachtsmann, den Krampus und den Osterhasen zu glauben.

Heirate nur eine Koreanerin.