Warum gibt es immer noch lateinische Gottesdienste?

10 Antworten

Auf Wunsch darf sie auch manchmal noch in Latein sein. Die Predigt ist aber in deutsch und war schon immer in deutsch. Lediglich die Liturgie-Texte, wie du ja schon sagt, sind in Latein. Und die Kinder? Denen schadet das nicht. Das Vater unser usw. mal in Latein zu hören. Auf deutsch kennen sie es ja.

Die Römisch-Katholischen Kirche des lateinischen Ritus ist das, was wir hierzulande einfach als Katholische Kirche bezeichnen. In Wirklichkeit umfasst die Römisch-Katholische-Kirche weit mehr Riten, soweit ich weiß sind das 32 gültige Riten, darunter z.B. der byzantinische Ritus oder die alt-orientalischen Riten. Fast alle Riten haben ihre Kirchensprache (z.B. Kirchen-Griechisch, das sich vom gesprochenen Umgangsgriechisch deutlich unterscheidet oder Kirchen-Slawisch). Und wie der korrekte Name schon sagt, ist die Kirchensprache der Römisch-Katholischen Kirche des lateinischen Ritus eben Latein. Das ist nach wie vor so. Viele meinen, mit der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils hätte man das Lateinische abgeschafft. Das ist aber ein Irrtum. Nach wie vor ist Latein grundsätzlich für die Liturgie vorgesehen, lediglich ist es erlaubt, seit dem Vaticanum II die Liturgie auch in den Landessprachen zu feiern. Die geschichtliche Entwicklung seitdem ist, dass die Liturgie fast nur noch in den Landessprachen gefeiert wird und die Generation heute es nur nicht mehr gewohnt ist, die Liturgie auch noch in Latein zu feiern. Vereinzelt wird dies auch noch oder wieder getan. Es ist meiner Meinung nach weniger eine Frage ob konservativ oder nicht, sondern eher eine Frage der möglichen Vielfalt. Einige Fragmente alter Kirchensprachen haben sich unabhängig von der jeweiligen Liturgiesprache erhalten wie z.B. Kyrie eleison (= griechisch), Amen und Halleluja (= hebräisch), Gloria oder Sanctus. Ob Mischformen an Sonntagen mit vielen Kindern sinnvoll sind, wie du es erlebt hast, möchte ich mal dahingestellt lassen.

Alle wichtigen Kirchendokumente werden (auch) auf Latein verfasst. In Latein können Sachverhalte sehr exakt ausgedrückt werden, besser als in den meisten anderen Sprachen. Auch ist Latein die bestgepflegte und aktualisierte "tote" (= nicht mehr gesprochene) Sprache. Das ist auch einer der Gründe, warum diese Sprache sogar als zusätzliche Verkehrsprache in der EU vorgeschlagen wurde, so viel ich weiß zuletzt von Finnland.

Für die Hl. Messe ist die Sprache für praktizierende Katholiken genau genommen zweitrangig. Die Liturgie wird auf der ganzen Welt in der gleichen Weise gefeiert. Allein durch die jeweiligen Handlungen weiß der praktizierende Katholik, in welchem Teil der Liturgie er sich befindet und was gerade getan wird, ohne die einzelnen Texte in der fremden Sprache zu verstehen. Als Katholik kann ich überall auf der Welt die Liturgie aktiv mitfeiern, auch wenn ich der jeweiligen Landessprache nicht mächtig bin. Wäre diese Sprache jetzt Latein und ich beherrsche aber kein Latein, so wüsste ich dennoch, an welcher Stelle wir uns gerade in der Liturgie befinden und was gerade geschieht. Anders als in der Evangelischen Kirche oder noch mehr in den Freikirchen ist für Katholiken die Verstehbarkeit der Sprache nicht so wichtig. In der Evangelischen Kirche ich die (längere) Predigt der Hauptschwerpunkt im Gottesdienst. Katholiken feiern die Hl. Messe notfalls auch ohne Predigt mit spirituellem Gewinn. Bei freikirchlichen Gottesdiensten --- ohne dass ich jetzt deren Wert schmälern will --- bliebe ohne Predigt nicht mehr viel übrig zu feiern.

Also ich würde es nicht sooo tragisch sehen, wenn ab und zu einige Gebete auch wieder auf Latein gebetet werden. Es ist nur eine Frage der Gewohnheit. Und wer die deutsche Entsprechung kennt, für den ist dann Latein nicht unbedingt das Problem.

P.S.: Meine Ausführungen sind als Erklärung zu verstehen, nicht als "missionarisches Plädoyer". Ich bin sehr dankbar für die Feier der Liturgie in den Landessprachen.


Nadelwald75  14.10.2013, 13:08

Hallo wolfruprecht: endlich mal eine saubere Darstellung!

Was man noch ergänzen könnte: Es ist schon ein Unterschied, ob man die vorkonziliare tridentinische Messe feiert oder ob man lediglich die messe in Latein feiert. Der Gregorianische Choral beispielsweise ist ja weitaus älter als der tridentinische Ritus.

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wolfruprecht  14.10.2013, 13:25
@Nadelwald75

Ich kenne den tridentinischen Ritus nicht, da ich diesen noch nicht mitgefeiert habe. Ich kann mir aber vorstellen, dass es ähnlich wie in der byzantinischen Liturgie ist: der mitfeiernde Gläubige wird von der Liturgie "getragen", also das eigene Tun an der Liturgie ist mehr ein "an sich selbst Geschehen lassen". Aber wie gesagt, ich kenne diese Liturgie nicht durch Mitfeiern.

Der Gregorianische Choral kommt sicher am besten zur Geltung in einer lateinischen Liturgie. Aber auch wenn die Liturgie in der Landessprache gefeiert wird, kann dies sehr schön kombiniert werden.

Ich finde, es kommt sehr darauf an, wie die Liturgie gefeiert wird. Ich meine damit mehr die Haltung, mit der man die Liturgie feiert. Und da denke ich, spielt der jeweilige Ritus selbst nur eine untergeordnete Rolle. Die tridentinische Liturgie demonstrativ zu feiern, um den nicht-ganz-so-Rechtgläubigen zu zeigen, wie die Liturgie gefeiert werden muss, ist meiner Meinung nach genauso ein MIssbrauch wie die liturgischen Bastelversuche bei diversen Themengottesdiensten. Nicht, dass ich mich gegen eine thematische Gestaltung von Gottesdiensten wenden würde, sondern auch hier geht es um die innere Haltung, Liturgie zu "machen" und ggf. sogar die vorgegebenen liturgischen Texte eigenmächtig abzuändern. Auch den reformierten römischen Ritus kann man sehr schön feiern, ohne dass alles erstarrt oder andererseits bis zur "Unkenntlichkeit" verbogen wird.

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Nadelwald75  14.10.2013, 17:06
@wolfruprecht

Hallo wolfruprecht,

alles ok.! - Einige Erläuterungen: Die Tridentinische Messe war die Form der Heiligen Messe, wie sie vor dem II: Vatikanum gefeiert wurde. Der Inhalt war der gleiche (Eucharistiefeier), die Form und das Verständnis vom "Gottesvolk" war anders:

Der Priester feierte die Messe mit dem Rücken zum Volk mit den Messdienern, die den Großteil der gleichbleibenden Gebete in Latein auswendig kannten. Diese wurden auch übrigens geschult, die deutschen Übersetzungen zu kennen. Manchmal wurden sogar Epistel und Evangelium in Latein verlesen, was dann so begann: "In illo tempore dixit Jesus apostolis suis: Vere, vere, dico vobis ...."

Die Haltung zu den Laien drückte sich schon in der Formulierung des Sonntagsgebotes aus: "Du sollst jeden Sonntag eine Heilige Messe mit Andacht hören."

Deine Einschätzung trifft es also.

Viele Katholiken hängen an dieser alten Form. Besonders vertreten wird diese Richtung durch den französischen Bischof Marcel Lefebvre und die Piusbruderschaft (hier mal ggogeln!)

Das neue Verständnis nach Vat. II. zeigt sich in etwa in einer geänderten Strophe des Kirchenliedes "Ein Haus voll Glorie schauet..", wenn gesagt wird: "Sein wandernd Volk will leiten der Herr in dieser Zeit ..." Und Volk Gottes sind alle in der Kirche. Der Begriff Laie (von griech. laos = Volk = voll wahlberechtigte Bürger!) umschließt sogar alle unterschiedslos, auch die geweihten Amtsträger (kann man in den Konzilstexten nachlesen).

Seit zwei Jahren ist die tridentinische Messe wieder erlaubt, allerdings nach Vorankündigung und Genehmigung für spezielle Termine bzw kleine Gruppen, - sozusagen als Konzession an Katholiken, die sich im alten System heimisch fühlten und dem vielleicht nachtrauern - aber keinesfalls als allgemeingültig

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Ichthys1009  08.12.2013, 22:15
@Nadelwald75

"Seit zwei Jahren"?

Das diesbezügliche motu proprio von Papst Benedikt XVI. ist im Frühjahr 2007 schon veröffentlicht worden.

"Verboten" war die jetzt so genannte "Außerordentliche Form des römischen Ritus" aber nie. Man hätte nicht in den 60er Jahren von heute auf morgen einen Ritus verbieten können, der über 400 Jahre schon so gefeiert wurde. Es war eher so, dass man zunächst den neuen Ritus angenehmer und passender fand. Recht schnell wurden aber Messformen praktiziert, die weit über das Ziel des Konzils hinausschossen.

"Nachtrauern" würde ich nicht als Hauptmotiv für die wiederbeginnende Verbreitung der lateinischen Messe annehmen. In diesen Messen sind überdurchschnittlich viele junge Familien, die sehr bewusst nach dieser Messform gesucht haben und die oft Sonntag für Sonntag Anfahrtswege von bis zu 50 km auf sich nehmen.

Im übrigen ist die "St. Pius-Bruderschaft" eher ein abschreckendes Beispiel, da sie mit vielen Dingen bezüglich des Vaticanum II nicht einverstanden sind. Es gibt allerdings etliche andere Priesterbruderschaften, die voll auf dem Boden des Konzils und auch hinter dem Papst stehen,

z.B. St. Petrus-Priesterbruderschaft,

Institut Christus König und Hoherpriester

Institut Philipp Neri

und noch andere. Auch immer mehr junge Ortspfarrer entdecken den tridentinischen Ritus. Nostalgie kann das bei den jungen Leuten kaum sein.

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Hallo, Harsj!

Eine gute Frage! Nun ja, da gibt es eine Menge Argumente für:

  1. Du hast ja bereits geschrieben "Warum gibt es immer noch lateinische Gottesdienste?" Früher, als es ja auch nur den Katholismus gab, waren alle Gottesdienste in Deutschland auf Lateinisch. Nicht umsonst hieß der damalige Vorläufer unserer Nation "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation". Alles im Namen und Rahmen der Römischen Gesellschaft. Texte geschrieben wurden damals auch schätzungsweise 95% aller Texte in lateinischer Sprache, weil das eben die Bildungssprache war. Auch die Bibel gab es nur auf Latein, und der Predigende las halt auf Latein daraus vor.

  2. Die zu jenen Zeiten auch sehr einflussreiche und mächtige Kirche benötigte (weitere) Finanzierungsmöglichkeiten. Sie verkaufte auch Zettel an Menschen, damit diese gut waren und in den Himmel kamen. Generell ließ man die Christen ungewiss, auch darüber, was sie beteten.

  3. Die Katholiken waren zu blöd, sich nicht Luther anzuschließen.

MFG,

KnorxThieus


Nadelwald75  14.10.2013, 17:16

Hallo, KnorxyTieus, Erster Abschnitt: Ja!

Zweiter Abschnitt: Sehr (!!!) vereinfacht. Wertende Generalisierungen werden dann auch generell falsch.

Dritter Abschnitt: Sobald jemand Begriffe aus der untersten Kiste holt, weiß ich: Jetzt weiß er nichts mehr!

Allgemein: Für den Fall, dass du evangelisch bist, dann informiere dich doch einmal über Luther und die Reformation. Ich bin katholisch und habe vor Luther eine große Hochachtung!

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KnorxyThieus  15.10.2013, 21:09
@Nadelwald75

Hallo, Nadelwald75,

Danke für deine ausgezeichnete Rezension!

Zum dritten Abschnitt: Ja, ich weiß nichts mehr, bin aber der persönlichen Meinung dass das stimmt. Was soll's, Vielfalt ist nur gut.

Zweiter Abschnitt: Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.

Allgemein: Ich bin Atheist. Auf jeden Fall finde ich das katholische weniger gut als das evangelische, Luther hat das gut gemacht, ja. :-) (Aber Buddhismus klingt dann doch irgendwie noch weiser, da trauert man nicht so um die Toten, wegen der Wiedergeburt. Das Heidnische ist aber auch nicht zu verachten! Die Religion der alten Griechen auch nicht! Die Wikingergötter waren auch toll!) Und Luther, Reformation etc. hatten wir schon in Geschichte. Ist aber manchmal mein Hass-Fach.

MFG

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Nunja es ist so, dass die lateinische Sprache seit jeher bis ins Jahr 1962 die Hauptsprache in den heiligen Messen war erst ab da durften die Pfarrer und Priester die Messe auch in der Landessprache halten :D

Bei uns gab es noch NIE eine Messe auf latein obwohl manche passagen auch noch auf Latein sind, wie das Vater Unser und das Hochgebet :D

Das hat ganz allein mit dem pfarrer zu tun :D Der will evtl. nur ein bissl angeben ;)


Nadelwald75  14.10.2013, 17:11

So mal ganz in Ordnung, wenn auch sehr vereinfacht! Dein Schlusssatz - weil er leider nur eine Negativwertung ist - entwertet allerdings auch deinen Beitrag etwas.

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Nadelwald75  15.10.2013, 23:20
@Bennykater

"Der will evtl. nur ein bissl angeben.... " Das ist die Wertung, die du triffst: Du interpretierst in den Einsatz von Latein eine Absicht. Das ist eine Privatmeinung, während ja deine beiden ersten Abschnitte sehr konstruktiv und sachlich sind. Das wiederum ist nun meine Wertung.

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adelaide196970  04.07.2020, 09:28

die Predigt war schon immer in deutsch, nur die Liturgie-Texte waren in Latein. Aber das war eigentlich kein Problem, denn die wußte man ja auswendig.

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Zum Glück habe ich das noch nicht erleben müssen.

Ich persönlich finde es (wie du) anstößig, den Menschen im Gottesdienst nicht in ihrer Landessprache zu begegnen, denn schließlich hat auch die katholische Kirche den Auftrag, auf die Menschen zuzugehen: Mk. 16,15: Gehet hin in alle Welt und predigt die frohe Botschaft allen Menschen... Wie soll das gehen, wenn die Menschen die Predigt nicht verstehen, da sie in einer Fremdsprache vorgetragen wird?

Das Problem dabei ist aus meiner Sicht, dass etliche in der katholischen Kirche mit der Zeit ihren eigentlichen Auftrag aus den Auge verloren haben ...

Weiteres dazu hat "Raubkatze45" schon dazu gesagt.


Bennykater  14.10.2013, 22:08

"Es ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche. Aber sie will herrschen, und da muss sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der unteren Massen."

(Goethe, zu Eckermann)

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aicas771  14.10.2013, 23:05
@Bennykater

Da hat Goethe leider recht, und die katholische Kirche (aber nicht nur sie) trägt heute schwer an dieser Bürde.

Denn die bornierte Masse, von der Goethe spricht, gibt es heute weniger denn je, wie man an der Zahl der Gottesdienstbesucher leicht ablesen kann. Dennoch bleibt der Auftrag aus dem Wort Gottes bestehen, und die einzigartige frohe Botschaft auch.

Mir tun die vielen Ortspfarrer leid, die sich ernsthaft bemühen, den göttlichen Auftrag zu erfüllen, und immer wieder am Erbe der Herrschsucht der Kirchenoberen scheitern, weil das ihnen den Zugang zu den Menschen versperrt.

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wolfruprecht  09.12.2013, 13:05
@Bennykater

Ich verstehe den Zusammenhang des Kommentars mit der Frage nicht. Latein als "unverstandene" Sprache für die "bornierte Masse" kann's ja nicht gewesen sein. Schließlich wussten (und wissen) praktizierende Katholiken, was die lateinischen Texte bedeuten und zudem gab es Hilfen wie z. B. den "Volksschott", wo die Texte Latein und Deutsch in zwei Spalten nebeneinander standen. Deshalb verstehe ich den Kommentar nicht so ganz, was er aussagen will in diesem Zusammenhang.

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adelaide196970  04.07.2020, 09:23

die Predigt wurde schon immer in der Landessprache gehalten. Nur die immer wiederkehrenden Liturgie-Texte waren und sind noch manchmal in Latein. Das hat aber jeder verstanden, weil man es im Religionsunterricht hatte.

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