Kaufberatung Mercedes W202?

2 Antworten

Ich bin selbst sehr lange W202 gefahren und kenne das Auto auswendig, weil ich vieles dran selber gemacht habe - zunächst muss ich sagen, dass ich immer sehr zufrieden war und den Wagen ggf. heute noch hätte, wenn ich nicht 2022 zufällig einen sehr guten W211 aus erster Hand mit wenig Kilometern und Scheckheft zum Schnäppchenpreis bekommen hätte, den man einfach nehmen musste.

Die Zuverlässigkeit ist hoch, technische Mängel sind selten und die typischen Schwachstellen sind schnell erzählt: Defekte Schlüssel und Zündschlösser; Rost natürlich, dazu die Traggelenke vorn und alle 90.-100.000 Kilometer die vorderen Spurstangenköpfe, dazu kann beim M111 Benzinmotor (C180 bis C230) bei höherer Laufleistung die Zylinderkopfdichtung zwischen dem 3. und 4. Zylinder undicht werden (Merkmal dafür ist Kühlwasserverlust ohne Undichtigkeit am Auto; man sieht das Leck an der Kopfdichtung von unten, wenn man die Karre auf die Bühne nimmt ganz gut). Die Bremsleitungen sind als mal verrostet, aber da hilft meist entrosten und gut einfetten, ein typisches Benz-Leiden aller Modellreihen bis heute. Die Lenkung hat als zu viel Spiel, auch das ist typisch Mercedes. Das Differenzial wird oft ölfeucht, aber andererseits: Wenn's trocken ist, ist es auch nix, dann rostet's nämlich. Gelegentlich gehen Kombi-Instrumente kaputt, auch können Fuß-Feststellbremsen insbesondere der Automatikmodelle einseitig ziehen, weil sie so selten benutzt werden: Wer sie bei jedem Abstellen betätigt, umgeht das Problem ganz galant.

Arg viel mehr ist nicht zu beachten. Der W202 ist auffallend robust und langlebig, sehr zäh und haltbar. Was man noch sagen müsste: Öl- und Filterwechsel sind alle 15.000 Kilometer fällig, mineralisches 10W-40 Öl reicht; 5W-30 usw. verträgt er gar nicht - da kann es sein, dass er das Tickern und Schlagen anfängt (Hydrostößel). Beim Öl reicht 15W-40 nach Mercedes-Freigabe Blatt 229.1 aus, das gibt es für vier Euro den Liter, wenn man keinen teuren Namen braucht; 10W-40 kann man auch machen, alles andere ist sinnlos. Ich fahre seit Jahren günstiges Öl wechselnder Hersteller (Mannol, EuroLub, CarTechnic usw.) und es ist völlig in Ordnung.

Die Bremsflüssigkeit sollte man bitte alle zwei Jahre und am besten im Frühling wechseln (sie ist hygroskopisch, d.h. sie zieht Wasser an), Automatikölwechsel sollte man so alle vier Jahre mal machen, Spureinstellung mache ich persönlich jedes Jahr bzw. Achsvermessung, aber das ist nur mein Eigenwert. Ab Werk war kein Automatikölwechsel vorgesehen, er macht aber Sinn. Die Automatik selbst hatte bis Sommer 1996 vier Gänge, dann fünf; speziell der ansonsten recht gemütliche, viel Anlauf benötigende Mercedes C180 mit 122 PS zischt mit fünf Gängen etwas dynamischer ab und bewältigt Steigungen flotter, ein Sportwagen wird er aber dadurch nicht.

XXX

Zu diesem Auto: Verkehrt sieht er nicht aus. Die niedrige Laufleistung sollte man sich über ein Wartungsheft nachweisen lassen, zumindest in Teilen, aber sie erscheint realistisch - das waren damals typische Opa-Autos, die sich Leute um die 55-60 Jahre gekauft hatten und niedrige Laufleistungen auch nach vielen Jahren sind beim C180 W202 häufiger als bei vielen anderen Youngtimern und daher tendenziell eher glaubwürdig. Ein onyxgrauer C180 Classic Automatik (der hatte ab Werk Edelholz innen, das wurde hier überklebt...) war damals kein Auto, das junge Leute oder Vielfahrer gekauft haben. Wenn aber 116.000 Kilometer drauf stehen, keine Nachweise da sind und fünf Besitzer damit unterwegs waren oder zwei/drei Fahrzeugbriefe vorhanden sind, will man keinem was unterstellen, aber man kann das glauben oder nicht... nur zur Info. Man sieht es dem Wagen aber auch an, u.a. an Lenkrad, Wahlhebel und Fahrgefühl.

Wenn alles passt sind 2500 Euro sicher fair, zumal er eine Klimaanlage hat - wenn die geht und sonst alles in Ordnung ist, sollte das in Ordnung sein. Wertsteigerung aber ist nicht drin: Der W202 ist kein cooler Klassiker, kein Youngtimer, kein Hipster-Auto; er hat zwar ein paar eingeschworene Fans, aber er ist für die Mehrheit einfach nur ein kantiger, langweiliger, alter Benz, den irgendwelche Opas fahren. Er ist nicht so cool wie der 190er, er ist kein 124er, er rostet ggf. sichtbar, er ist noch gefühlt zu "modern" mit bis zu vier Airbags und ESP, man sieht ihn zu oft (weil er so ungemein zuverlässig ist) ... das drückt die Preise, hier sollte in der Sache auch was gehen, je nachdem, wie lang er TÜV hat.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Von Experte rotesand bestätigt

Das größte Problem bei dem Auto ist der Rost. Wichtig wäre, vor dem Kauf auch genau in die Wagenheberaufnahmen zu schauen… da kann es nämlich vor sich hin gammeln, ohne dass man es von außen betrachtet erahnen könnte.
Sind die Türkanten in Ordnung?

Technisch ist der W202 aber grundsolide. Gerade der C180 ist meiner Meinung nach sehr zu empfehlen, da er sich ähnlich spritzig wie die höheren Motorisierungen fährt, dabei aber noch relativ sparsam ist.

Auch das Automatikgetriebe ist eine sehr gute Wahl, da die Schaltgetriebe von Mercedes aus der Zeit etwas hakelig sind.

https://www.youtube.com/watch?v=s87FneCcn04


Zia3434 
Fragesteller
 17.05.2024, 20:53

Der Besitzer hat mir angeboten das Fahrzeug auch von unten zu zeigen, da er eine eigene hebe Bühne hat. Ich werde dann alles genau unter die Lupe nehmen.

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