Wo tötet ein Vater seinen Sohn in der Mythologie, Antike etc.?

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Mythologie, Sage

Tantalos tötet seinen Sohn Pelops und setzt ihn den Göttern, die zu einem Gastmahl bei ihm kommen, als Speise vor. Nach einer Erklärung will er damit ihre Allwissenheit auf die Probe stellen. Die Götter erkennen, was ihnen vorgesetzt worden war und essen nichts davon, bis auf Demeter, die aus Trauer wegen der Entführung ihrer Tochter Demeter nicht aufmerksam ist und ein Schulterstück verzehrt. Pelops wird wiederbelebt, indem er in einem Kessel die Stücke zusammengekocht werden. Das fehlende Schulterstück wird durch ein elfenbeinernes ersetzt.

Herakles tötet in zeitweiligen Wahnsinn seine Ehefrau Megara und ihre gemeinsamen Kinder.

in einer Tragödie sind dies drei Söhne:

Euripides, Herakles

Lucius Iunius Brutus, eine sagenhafte Person, der antiken Überlieferung nach einer der Hauptbegründer der römischen Republik und zusammen mit Lucius Tarquinius Collatinus in das neue Amt eines Konsuls gewählt, hat die Hinrichtung festgenommener römischer Verschwörer, die eine Rückkehr des vertriebenen Königs Lucius Tarquinius Superbus planten, darunter seiner beiden Söhne, nach dem gesetzlichen Verfahren befohlen (Livius 2, 5, 5 – 8; 8, 34, 3; Dionysios von Halikarnassos, Ῥωμαϊκὴ Ἀϱχαιολογία/Römische Altertümer/Antiquitates Romanae 5, 8; Plutarch, Poplicola 6; Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 5, 8, 1; Florus, 1, 3, 9, 5; Ampelius 18, 1). Brutus hat die Söhne nicht eigenhändig getötet, sondern Liktoren (Amtsdiener) haben dies durchgeführt, aber er hat die Hinrichtung angeordnet.

Voltaire (François-Marie Arouet), Le Brutus (Tragödie, 1730 uraufgeführt)

Salomon Hirzel, Iunius Brutus (Trauerspiel, 1761)

Hildebrandslied (9. Jahrhundert):

Hildebrand und sein Sohn Hadubrand stehen sich zwischen zwei Heeren zum Zweikampf gegenüber. Als Hilbebrand auf seine Frage nach der Herkunft hin erfährt, wer sein Gegner ist, teilt er eine äußerst nahe Verwandtschaft mit, erklärt, sein Vater zu sein, findet aber keinen Glauben. Hadubrand nimmt (fälschlich) an, sein Vater - der Frau und Kinder vor längerer Zeit verlassen hatte, als er zusammen mit seinen Gefolgsherrn aus dem Land floh - sei nicht mehr am Leben. Hadubrand glaubt nicht an eine Verwandtschaft. Er bemerkt, er wisse von Seefahrern, sein Vater sei im Kampf gestorben. Hadubrand ist von Mißtrauen erfüllt. Das Angebot Hildebrands, goldene Armringe als Geschenk zu überreichen, hält er für eine Kriegslist des „alten Hunnen“, um ihn dabei mit einem Speerwurf anzugreifen, wenn er bei der Entgegennahme seine Deckung vernachlässigt. Die Annäherungsversuche zu einer Versöhnung empfindet er als feige und die Ehre seines totgeglaubten Vaters durch eine Lüge schändlich herabsetzend. Hildebrand möchte nicht als ehrlos (wie „der ärgste der Ostleute“) gelten. Aufgrund der Beschimpfung glaubt er, seine Ehre schützen zu müssen. Damalige gesellschaftliche Werte (persönliche Kriegerehre und Gefolgschaftstreue) erlauben ihm keine Verweigerung des Zweikampfes angesichts der offenen Herausforderung. Ein heftiger Kampf bricht aus.

Das Ende ist nicht enthalten, aber der Text läuft auf einen tödlichen Ausgang zu und der Tod des Sohnes kann aus anderer Überlieferung geschlossen werden: Ásmundar saga Kappabana (Saga von Asmund dem Kämpentöter; wahrscheinllich im 14. Jahrhundert entstandene Abenteuergeschichte aus Island) enthält einige wenige Strophenreste des Heldenleides Hildibrands Sterbelied. Hildbrand wird von seinem Halbbruder Asmund tödlich verwundet und beklagt sterbend, wider Willen zum Töter seines Sohnes geworden zu sein (Tod des Sohnes auch: Saxo Grammaticusm, Gesta Danorum, Buch 7, 9, 12 – 20, Geschichte von Hildiger )Hildigerus) und Halfdan (Haldanus); faröische Snjólvskvaæði)

Ermamarichsagen und Swanhildsage, skandinavische Überlieferung (Gudruns Aufreizung/ Guðrúnarhvöt/Guðrúnarhvǫt; Die Sprache der Dichtkunst/Skáldskaparmál; Wölsungensaga/Völsunga saga/Vo̜lsunga saga; Altes Hamdirlied/Hamðismál; Saxo Grmmaticus, Gesta Danorum):

Der alte König Jörmunrek (altnordisch: Jörmunrekr, Erminrikr; mittelhochdeutsch: Ermenrîch, Ermrîch und anders; altenglisch: Eormenrīc) ist in zweiter Ehe mit der jungen Swanhild (altnordisch: Svanhildr, von gotisch Sonilda) verheiratet, der Tochter Gudruns und Sigurds. Der Jarl Bikki (altnordisch; mittelhochdeutsch: Sibeche, altnordisch: Sifka), ein arglistiger und böser Ratgeber, verleumdet des Königs Sohn aus erster Ehe Randwer (altnordisch: Randvér), er betrüge ihn mit Swanhild. Jörmunrek läßt Randwer am Galgen aufhängen und Swanhild von Pferden tottrampeln. Swanhilds Brüder nehmen Rache.


Albrecht  12.08.2014, 10:13

Firdausī, Rostam und Sohrab (in: Schĝhnĝme, um 1000): Rostam (Rustam) tötet seinen in der Ferne aufgewachsenen Sohn Sohrab (Suhrĝb) in einem Zweikampf der Anführer zweier Heere. Erst nach dem tödlichen Dolchstoß bemerken sie an einem Erkennungszeichen und Aussagen, Vater und Sohn zu sein.

Aided Óenfhir Aífe (Der Tod von Aífes einzigem Sohn), irische Sage, Erzählung (9./10. Jahrhundert) aus dem Uster-Zyklus:

Cú Chulainn kämpft, für die Ehre von Ulster, mit einem jungen Mann, Aífes einzigem Sohn, obwohl seine Ehefrau Emer davon abrät und in Erwägung zieht, es könne sein Sohn Connlae sein. Cú Chulainn ist zunächst unterlegen, dann überkommt ihm Kampfwut/Kampfraserei und er verwundet Connla tödlich mit der Gae Bolga, einer schrecklichen Waffe.

William Butler Yeats, Cuchulain's fight with the sea (Gedicht, 1892) und On Baile's Strand (Drama, 1904): Cúchulainn tötet im Zweikampf einen jungen Mann, der sein Sohn ist.

Fingal Rónáin (Rónáns Verwandtenmord), irische Sage, Erzählung aus dem historischen Zyklus/Zyklus der Könige:

Rónán mac Áedo (in Genealogien: Rónán Rónán mac Colmáin), König von Leinster, heiratet Eithne ingen Chummascaig und hat mehr den Sohn Maelfothartaig. Rónán heiratet längere Zeit, nachdem seine erste Ehefrau gestorben ist, und als er schon alt ist, eine Tochter des Eochaid Iarlaithe mac Lurgain, Dál nAraidi-König der Cruithne in Ulaid (Ulster). Die zweite Ehefrau verliebt sich in den Stiefsohn und sendet ihm durch eine Dienerin mehrfach Mitteilungen dazu. Schließlich verleumdet sie, als ihr Wunsch zurückgewiesen wird, Maelfothartaig bei seinem Vater, Rónán befiehlt einem Krieger, seinen Sohn Maelfothartaig zu ermorden.

russische Bylinen (mittelalterliche Heldenlieder) von Il'ja Muromec (Ilja Muromez) und Sokol'nicek (Sokolnitschek): Ilja überwindet seinen Sohn Sokolnitschek, unehelicher Sohn von einem Bauernmädchen, der seinen Vater nicht kennt, in einem Zweikampf (mit Schwertern, Speeren, Säbeln, schließlich Ringkampf). An einem Erkennungszeichen entdeckt Ilja, daß Sokolnitschek sein Sohn ist. Er teilt ihm die uneheliche Herkunft mit und schlägt ihm vor, in den Dienst Kiews zu treten (in dem er selbst steht). Sokolnitschek tötet die Mutter Zlatygorka und will seinen Vater hinterhältig ermorden, der in einem Zelt schläft. Ein geworfener Speer prallt von einem wunderbaren Kreuz, einem großen Brustmedaillon ab. Ilja reißt nach dem heimtückischen Angriff seinem Sohn den Kopf ab und zerhaut ihn in Stücke.

In anderen Fassungen gibt es einen glücklichen Ausgang.

Literatur

Mir ist nicht ganz klar, was genau mit klassischer Literatur gemeint ist.

Cassius: Spurius Cassius Vecellinus wurde 486 wegen des Verdachts eines Strebens nach Alleinherrschaft hingerichtet, nach einer Fassung wurde er zuerst von seinem Vater verdächtigt, angeklagt und mit dem Tod bestraft (Livius 2, 41; Dionysios von Halikarnassos, Ῥωμαϊκὴ Ἀϱχαιολογία/Römische Altertümer/Antiquitates Romanae 8, 79 (hält diese Fassung für weniger wahrscheinlich), Plinius, Naturalis historia 34, 9; Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 5, 8, 2).

Titus Manlius Imperiosus Torquatus hat nach antiker Überlieferung als Konsul in einem Krieg gegen die Latiner 340 v. Chr. seinen Sohn wegen Ungehorsams hinrichten lassen , weil dieser befehlswidrig außerhalb der Schlachtreihe in einem Zweikampf gekämpft hatte (Livius, 8, 6 – 8; Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 5, 8, 3).

Der Senator Aulus Fulvius ließ seinen Sohn töten, als dieser auf dem Weg zu Lucius Sergius Catilina, der für einen Staatsstreich ein Heer versammelt hatte, aufgriffen wurde (Sallust, De coniuratione Catlinae 39, 5; Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 5, 8, 5).

Philip Massinger, The Unnatural Combat, 1639 gedruckt: Malefort Senior, Admiral von Marseilles wird von seinem Sohn Malefort Junior, der mit einer Piratenflotte den Hafen blockiert, zum Einzelkampf herausgefordert. Der Vater tötet den Sohn im Duell und verstümmelt seine Leiche.

Juan Bautista Diamante, Juan Sánchez de Talavera (Drana, um 1670): Juan Sánchez wird, als er sich um die Heirat mit seiner Geliebten Laura bei deren Bruder bewirbt, abgewiesen und tötete ihn deshalb. Sein Vater Sanchez wird Stadtrichter und verfolgt seinen Sohn. Dieser überquert schwimmend einen reißenden Fluß. Der Vater droht im Fluß zu ertrinken und ruft um Hilfe. Der Sohn rettet ihn. Der Vater muß ihn dann als Gefangenen wegen Mordes zum Tode verurteilen.

Christian Felix Weiße, Mustapha und Zeangir (Drama, 1761 veröffentlicht): Sultan Solimann ist Einflüsterungen seiner Frau Roxane und des Ratgebers Rustan zugänglich, die Verdächtigungen gegen seinen Sohn Mustapha vorbringen. Nach einer Intrige mit einem angeblichen Brief Mustaphas, der tatsächlich eine Fälschung Rustans ist, glaubt Solimann an einen Verrat seines Sohnes. Solimann befiehlt schwarzen Sklaven mit Dolchen, seinen Sohn Mustapha zu erstechen. Zu spät erkennt der die Unschuld des Sterbenden.

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Albrecht  12.08.2014, 10:15

Nikolai Gogol, Taras Bulba (Erzählung, 1835 erschienen): Der Kosakenanführer Taras Bulba erschießt in einem Krieg seinen Sohn Andrej, nachdem dieser aus Liebe zum Überläufer geworden ist und auf polnischer Seite kämpft.

Franz Grillparzer, Ein Bruderzwist in Habsburg (Trauerspiel; 1848 entstanden, 1872 uraufgeführt): Kaiser Rudolf II. hat einen natürlichen (unehelichen) Sohn, Don Cäsar. Don Caesar tötet Lukrezia, die Tochter des Prager Bürgers Prokop, mit einem Schuß seiner Pistole und läßt sich danach von Soldaten festnehmen. Er wird in den Turm gebracht und Ärzte lassen ihn wegen seiner Tobsuchtsanfälle als einem dem Wahnsinn nahen Erkrankten zur Ader. Don Cäsar reißt sich den Verband ab. Ärzte wollen ihm helfen und fordern Einlaß. Die Tür ist verschlossen. Kaiser Rudolf nimmt den Schlüssle, wirft ihn in einen Brunnen hinab und erklärt Don Cäsar für gerichtet.

Theodor Fontane, Ellernklipp (Novelle, 1881): Der gräfliche Heidereiter Baltzer Bocholt ist auf seinen Sohn Martin (von seiner verstorbenen Ehefrau) eifersüchtig, weil dieser und die Pflegetochter Hilde sich lieben. Auf Ellernklipp kommt es zum Streit und zum Kampf. Der Vater stößt den Sohn in den Abgrund.

William Faulkner, A fable (Novelle, 1954): Corporal Stephan ordnet an, einem Angriffbefehl im Ersten Weltkrieg nicht zu gehorchen. Der Krieg kommt zum Erliegen. Corporal Stephan wird festgenommen. Ein alter General, Oberbefehlshaber der amerikanischen, britischen und französischen Streitkräfte, bietet ihm Befreiung, Reichtum und Macht an, wenn er seine Einstellung ändert und Krieg bejaht. Corporal Stephan ist sein unehelicher Sohn. Er weigert sich. Der General ordnet seine Exekution an, der Sohn wird erschossen.

viele Hinweise sind enthalten in:

Elisabeth Frenzel, Motive der Weltliteratur : ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte. 6., überarbeitete und ergänzte Auflage. Stuttgart : Kröner, 2008 (Kröners Taschenausgabe ; Band 301), S. 714 – 731 (Vater-Sohn-Konflikt) und S. 731 – 743 (Vatersuche)

Michael Chesnutt, Vater-Sohn-Motiv. In: Enzyklopädie des Märchens : Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Begründet von Kurt Ranke. Mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen herausgegeben von Rolf Wilhelm Brednich zusammen mit Heidrun Alzheimer, Hermann Bausinger, Wolfgang Brückner, Daniel Drascek, Helge Gerndt, Ines Köhler-Zülch, Klaus Roth, Hans-Jörg Uther. Redaktion: Doris Boden, Susanne Friede, Ulrich Marzolph, Christine Shojaei Kawan. Band 13: Suchen - Verführung,. Berlin : New York : de Gruyter, 2010, Spalte 1348 – 1354

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Albrecht  12.08.2014, 14:57

König Artus (King Arthur) tötet Mordred in der Schlacht von Camlann, ist allerdings auch selbst von diesem tödlich verwundet worden. Nach einigen Fassungen ist Mordred sein Sohn von Morgause oder Morgan le Fay (bei den Namen gibt es jeweils Varianten).

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calreese 
Fragesteller
 13.08.2014, 23:23

Hallo Albrecht!

Wow, all deine Antworten haben mich schier überwältigt. :-) Ich danke dir wirklich vielmals für deine große Hilfe und die Mühe, die du dir gemacht hast. Wahnsinn. Du hast mir enorm geholfen!

LG

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klar, im Hildebrandslied wird das beschrieben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Hildebrandslied


calreese 
Fragesteller
 10.08.2014, 19:51

Oh, das ist klasse! Vielen, vielen Dank! Das ist genau die Art Vater-Sohn-Konflikt, die ich in der Literatur gesucht habe!

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Ich glaube, das Töten des Sohnes ist eine Metapher für die Auslöschung allen Fortschritts, der die Machtverhältnisse des Bestehenden bedroht.

Kronos, der seine Söhne gleich nach der Geburt verschlang, aus Angst, einer könne ihm die Herrschaft streitig machen. War ja dann auch so, denn so ist der Lauf der Welt.


baldjeanfriede  11.08.2014, 11:12

Nicht zu vergessen dass Kronos, den man eigentlich "Chronos" schreiben sollte, seinen Vater Uranos auf Anweisung seiner Mutter Gaia (oder Gäa) mit einer Sichel entmannt. Da Chronos der Herrscher der Zeit ist (deshalb schlug ich die Schreibweise "Chronos" vor; die griechische Vorsilbe ist ja aus Wörten wie "Chronologie", "Chronometer" oder "Chrononaut" bekannt; auch in "Chronik" steckt se drin) stellt dies eine Metapher für den Verlust der Manneskraft im Alter dar. Das hat mir immer sehr gefallen.

Übrigens tötet auch Ödipus seinen Vater (ohne zu wissen dass es sein Vater ist) und heiratet dann seine Mutter (auch ohne es zu wissen). Daher "Ödipuskomplex" für den Wunsch den Vater zu töten und mit der Muter Geschlechtsverkehr zu haben.

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Da gibt es einen üblen Burschen namens Tantalos:

http://de.wikipedia.org/wiki/Tantalos