Blickwechsel 11. März 2021
Deine Fragen an einen Buddhisten
Alles zum Blickwechsel

Was unterscheidet konkret den Buddhismus von anderen Religionen und wieso hast Du dich für diesen Glauben entschieden?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Erst einmal etwas zum Religionsbegriff:

Unter allen (großen) Religionen tanzt der Buddhismus in der Tat sehr aus der Reihe. Das ganze ist so auffällig, dass es noch nicht einmal sicher geklärt ist, ob der Buddhismus überhaupt als Religion gesehen werden kann oder ob er eine (mythologisch angehauchte) Philosophie ist. Diese Frage ist bis heute heiß diskutiert. Auch hier auf GF wird diese Frage immer wieder gestellt. Ich habe sie auch schon einmal beantwortet, was ich dir hier verlinke:

Ist der Buddhismus als eine Religion oder eher als Philosophie zu begreifen? (Religion, Philosophie und Gesellschaft, Buddhismus) - gutefrage  https://www.gutefrage.net/frage/ist-der-buddhismus-als-eine-religion-oder-eher-als-philosophie-zu-begreifen#answer-387855144

Nun zu deiner eigentlichen Frage:

Man muss zwischen Erkenntnisreligion & Offenbarungsreligion trennen. Alle anderen Weltreligionen (Christentum, Islam, Hinduismus) & Judentum sind Offenbarungsreligionen, während der Buddhismus eine Erkenntnisreligion ist. Das bedeutet, dass sein Wahrheitsgehalt nicht von einem historischen Ereignis abhängig ist, z. B. die Erwählung Abrahams bei den Juden, die Auferstehung von Jesus bei den Christen oder der Empfang des Korans durch Mohamed im Islam. Die Wahrheiten im Buddhismus bzw. in einer Erkenntnisreligion liegen statt dessen in der Welt & lassen sich durch Erfahrung mit dieser herausfinden. Im Buddhismus gibt es auch eine Reinfolge, was die Wertigkeit einer Information betrifft:

  1. Empirische Erfahrung
  2. Logisches Denken
  3. Aussage, wobei die religiösen Texte (z. B. Koran, Bibel, Pali-Kanon, Avesta oder Veda) gemeint sind bzw. die Worte der religiösen Leitfigur (z. B. Abraham, Mohammed, Jesus oder Buddha)

Abgesehen von sehr exklusiven & sehr kleinen Kreisen, z. B. in der liberalen christlichen Theologie von Dorothee Sölle, steht in den Offenbarungsreligionen die Aussage an erster Stelle. Es ist nicht so, dass ich die Offenbarungsreligionen deshalb nur schlecht finde, aber ich sehe darin einen klaren Mangel gegenüber der Weltsicht einer Erkenntnisreligion. Denn eine Erkenntnisreligion hat einen durchaus humanistischeren Ansatz, da sie an die Erkenntnisfähigkeit & die Rationalität des Menschen glaubt. Zu dem haben Offenbarungsreligionen immer den Mangel, da sie sich auf eine "heilige Schrift" stützen, welche inhaltlich meist sehr überholt ist. Die Frage bleibt dann offen, ob diese Schrift im Kontext seiner Zeit überhaupt gesehen werden darf. Traurigerweise sehen das aktuell die meisten Menschen, welche Mitglieder einer Offenbarungsreligion sind anders. Um dir ein Beispiel zu nennen: Der Koran & das Alte Testament entstanden in der Wüste zu einer Zeit, wo es noch keine Kühlschränke gab. Schweinefleisch gilt daher als verboten, weil Schweinefleisch unter Hitze schneller schlecht wird. Dass Muslime & Juden in Europa heutzutage immer noch auf Schwein verzichten, aber anderes Fleisch essen, empfinde ich als sehr einfältig & rückständig. Der Buddhismus kennt hingegen keine heiligen Schriften, sondern nur historische Quellenwerke. Das ist auch der Hauptgrund, warum ich dieser Religion angehöre & keiner anderen.

Eine andere Art, wie man Religionen einteilen kann, ist die Unterteilung in Stifts- & Volksreligionen. Volksreligionen gehen nicht auf eine einzige Person zurück, sondern auf eine Vielzahl von spirituellen Erfahrungen, welche eine Kultur im Laufe der Geschichte gemacht hat. Dazu gehören das Judentum & der Hinduismus. Der Buddhismus ist eine Stiftsreligion, da ihr bestehen auf eine historische Leitfigur zurückgeht. In seinem Fall ist es der nepalesische Prinz Siddhartha Gautama (betitelt als Buddha), während es im Christentum Jesus Christus ist & im Islam Mohamed ibn Abdallah. Das macht den Buddhismus aber nicht zu einer Ausnahme, denn der Großteil der Weltbevölkerung gehört mitlerweile einer Stiftsreligion an. Allerdings hat sich dieses Verhältnis verändert. Ursprünglich war die Zahl der Anhänger von Volksreligionen größer, also auch noch zu der Zeit, wo der Buddhismus entstanden ist.

Das letzte, was den Buddhismus besonders macht ist sein Verhältnis zum Gottesbegriff: Der Buddhismus ist eine agnostische Weltanschauung. Seine Inhalte kommen demnach ohne die Vorstellung eines oder mehrerer höheren Wesens aus, aber lehnen dessen Existenz bzw. deren Existenzen auch nicht perse ab. Der Buddhismus schließt nur den Glauben an Gott oder Götter dann aus, wenn diese eine Heilsrelevante Wirkung haben. Ich selber bin Atheist genau wie die meisten Anhänger des westlichen Buddhismus, so wie die des südostasiatischen Theravada Buddhismus. Es gibt aber auch viele Buddhisten, welche an Götter glauben, an sie beten & ihnen opfern. Zu diesem Phänomen hat sich auch Buddha selber geäußert. Ich empfehle dazu dieses Video: https://www.youtube.com/watch?v=EGhkdRiPI5s