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Karikatur

Der Kern bei dieser Karikatur auf König ist, seine prachtvolle offizielle Selbstdarstellung auseinanderzunehmen und ihn entlarvend als tatsächlich schlecht aussehenden, von Alter und Krankheit beeinträchtigten und eher kleinen Menschen vorzuführen. Seine reale Erscheinung ist in großem Ausmaß gegenteilig zur Selbstdarstellung als Herrscher. Ludwig XIV. von Frankreich wird dreifach dargestellt, als leere Herrscherhülle (links), als realer Mensch (Mitte) und als offiziell auftretende Herrscherperson (rechts). Der reale Mensch wird durch die Wegnahme äußerer Hüllen und Herrscherattribute (beigefügte Kennzeichen eines Herrschers) bloßgestellt. Es wird deutlich, wie sehr die majestätische Erscheinung des Herrschers auf äußerlichen Zutaten beruht.

Die Karikatur hat der Schriftsteller und Zeichner William Makepeace Thackeray in einem Pariser Skizzenbuch angefertigt. Sie erschien 1840 in einem Werk, das er unter einem Pseudonym veröffentlichte: The Paris Sketch Book. By Mr. Titmarsh. With numerous designs by the author, on copper and wood. Vol. II. London, John Macrone 1 St. Martins Place Trafalgar Square, 1840 (Bildtafel links neben Seite 283).

unten erscheint geschrieben:

in Großbuchstaben „An Historical Study.“, „Vol.II. p.283.“, „London, John Macrone 1 St. Martins Place Trafalgar Square, 1840“, mit Feder und Tinte „W. M. Thackeray delt“ (gezeichnet von [englisch „delt“ = „drawn by“ W. M. Thackeray) „Louis XIV "Le Grand Monarque."“ [Ludwig XIV. Der große Monarch)

https://archive.org/details/parissketchbook02thacrich/page/n301/mode/2up

https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1861-1012-335

Der natürliche Körper und der politische Körper (Herrscher im Staatsornat) sind in scharfem Gegensatz nebeneinandergestellt.

Die Karikatur zerlegt Ludwig XIV. (französisch: Louis XIV) in seine Bestandteile Ludwig (lateinisch: Ludovicus) und König (lateinisch: Rex) und demontiert damit seine Selbstdarstellung, wie sie Ludwig XIV. (der „Sonnenkönig“) auch in offiziellen Herrscherporträts (z. B. ein Ölgemälde von Hyacinthe Rigaud, 1701/1702) verbreitete. Bei der Privatperson ist von würdevoller Majestät fast nichts mehr bemerkbar. Nur die Kleidung (links erscheint das Staatsgewand auf einer Kleiderpuppe wie eine Attrappe) bietet eine Chance, über die jämmerliche und wenig glanzvolle Beschaffenheit der tatsächlichen Physis hinwegzutäuschen.

Als König (lateinisch: Rex) erscheinen die äußeren Hüllen und die Herrschertribute in menschengestaltiger Form ohne Inhalt.

Als Herrscher in offizieller Selbstdarstellung (lateinisch: Ludovicus Rex) trägt Ludwig XIV. einen prachtvollen Mantel, eine hermelingefütterte Robe mit Lilien (Symbol der Königsfamilie der Bourbonen). Schuhe mit hohen Absätzen und eine große Perücke mit langen lockigen Haaren (Allongeperücke) lassen ihn größer erscheinen und ersetzen fehlendes Haupthaar. Ludwig XIV. steht leichtfüßig wie in tänzerischer Pose da. Bei der prachtvollen Kleidung fallen einige Spuren des Alters im Gesicht kaum auf. In der rechten Hand hält er ein Zepter, an der linken Seite befindet sich ein Schwert. Der Blick ist stolz.

Die Privatperson Ludwig (lateinisch: Ludovicus) ist klein, hässlich, alt, schwach und gebrechlich. Die Erscheinung weicht völlig vom Herrscherbild eines mächtigen Königs ab. Eine verhältnismäßig schlichte Jacke ist zu sehen. Ein dicker Bauch wird sichtbar. Ludwig hat eine Glatze und kann nicht mehr gut aufrecht stehen. Die Beine haben eine etwas gekrümmte Haltung, er stützt sich auf einen Stab wie auf einen Krückstock. Ludwig XIV. litt im Alter an Gicht und konnte sich nur noch schlecht bewegen. Der Blick hat wenig Strahlkraft und geht eher nach unten.

Wenn die in der Praxis vorgenommene Wahrnehmung des Ganzen als zusammengehörige Einheit aus Kleidung, Herrscherzeichen und Körper bildlich zerlegt wird, geschieht gewissermaßen eine Entzauberung.

Rolle des preußischen Königs

Eine Frage dazu, wie die Rolle des preußischen Königs beurteilt wird, kann nicht ohne einen Hinweis, auf welchen preußischen König sich die Frage bezieht, und einen dazugehörigen Text beantwortet werden.


GSHAa 
Fragesteller
 12.02.2021, 15:34

Danke !! Zu der letzten Frage : Wie wird die Rolle von Ludwig XIV. beurteilt ?

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Albrecht  12.02.2021, 16:30
@GSHAa

Ludwig XIV., ein absolutistischer Monarch, hat sehr genau in seine offizielle Selbstdarstellung viel Majestät hineinlegt, um einen Gedanken königlicher Würde auszudrücken. Er präsentiert musterhaft die Majestät des Königtums. Der reale Mensch in Jacke, Weste und Kniehose wird als stark davon abweichend beurteilt. In seiner Rolle als Herrscher präsentiert er sich prachtvoll. Perücke und Schuhe lassen ihn größer erscheinen. Mit weiteren glanzvollen äußeren Zutaten steht er der Erscheinung nach majestätisch, herrscherhaft und heroisch da. Obwohl Ludwig XIV. als dumm, herzlos, kurz, von zweifelhaftem persönlichem Mut bekannt sei, müssten die Menschen ihn, wenn sie sich nach seiner Selbstdarstellung richten, verehren und bewundern. Dem Gefühl nach entsteht dabei ein großes Bild von ihm, mit Geist, Seelengröße, Kraft und enormer heroischer Statur. Die Handlungen der Großen und die Handlungen gewöhnlicher Menschen werden sehr unterschiedlich betrachtet.

Ludwig XIV. wird eine glanzvolle Selbstinszenierung zugeschrieben. Er hat sich seine Herrscherrolle zu eigen gemacht, die ihm nach den Umständen als ziemlich selbstverständlich vorkam. Der Schriftsteller und Zeichner verdeutlicht dies, kann aber zugleich kritischen Abstand dazu halten. Seine Zeichnung bietet eine Persiflage (feine, geistreiche Verspottung) auf das Krönungsporträt Ludwigs des XIV. von Hyacinthe Rigaud.

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GSHAa 
Fragesteller
 12.02.2021, 20:01
@Albrecht

Okay, was ist herbei die Botschaft und Absichten aus Thackerays Seite aus ?

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Albrecht  12.02.2021, 20:15
@GSHAa

Eine Botschaft ist der Unterschied zwischen der Herrscherrolle und dem realen Menschen. Ludwig XIV. ist ein Muster an majestätischer Selbstdarstellung eines Monarchen. Als realer Mensch ist der alte Ludwig XIV. nicht majestätisch. Die prachtvolle majestätische Erscheinung kommt durch äußere Zutaten zustande.

Eine Absicht ist, die offizielle Selbstdarstellung satirisch aufzubrechen und kritischen Abstand herzustellen.

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