Leerheit oder "wahres Selbst"?

5 Antworten

Ja, es gibt tatsächlich einen großen Unterschied zwischen "Atman" und "Leerheit".

Auch, wenn du dich sehr zum "zum Hinduismus hingezogen fühlst", und dich nun für die Sicht des Buddha ( nicht der vielen, die nachher andere Theorien aufstellten ), interessierst, musst du dich mit diesen gravierenden Unterschieden vertraut machen.

Natürlich kann man da "letztlich alles zusammen"... vereinen, so verstehen.

Aber, was der Buddha meinte, war eben etwas ganz Praktisches. Etwas, das nicht auf irgend ein "Leben nach dem Tod" gerichtet ist. Sondern, auf die Praxis hier und jetzt.

Ich denke, was das "Nicht-Selbst" betrifft, hast du noch Vorstellungen, die dich beunruhigen. DIE aber haben wieder mit deiner Vorstellung von "Dir" zu tun....

Hier mal zwei kurze Videos:

"Was ist 'Leerheit' ?" vom Dalai Lama:

https://www.youtube.com/watch?v=wDIh_cTmb18

Und, "'Ich' und 'Selbst' - Einige Irrtümer ( kurzer Ausschnitt ):

https://www.youtube.com/watch?v=2_55aYJECk4

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Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

TheQuestionGuy2 
Fragesteller
 23.03.2021, 14:49

Naja, klar habe ich Vorstellungen, irgendwie muss ich meine Gedanken ja beschreiben :D aber ich weiß schon, dass man dieses "etwas", das die Gedanken beobachtet, und das frei vom Ego ist, nicht beschreiben kann. Aber dann kann man doch auch nicht sagen, dass es "leer" ist, also frei von Selbst. Denn dieses "etwas" (das hab ich übrigens vom Zen buddhismus) ist ja jenseits von Form. Und leer ist ja gewissermaßen eine Form. Der Hinduismus (ich rede vom Vendanta) sagt ja, dass es ein "falsches" und ein wahres Selbst gibt. Dieses wahre Selbst ist kein selbst sondern unbeschreiblich. Das ist ja wie im Buddhismus, zumindest wie im Zen buddhismus.

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TheQuestionGuy2 
Fragesteller
 23.03.2021, 14:56

Aber man könnte ja sagen, dass beide Religionen, Buddhismus als auch Vedanta, dasselbe Ziel verfolgen. Weg vom Ego, hin zu etwas das größer ist, als das Ego. Ob man es Leerheit oder wahres Selbst (selbst nicht im Sinne von ich) nennt, spielt doch eher eine unwichtige Rolle.

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Buddhismus  23.03.2021, 16:41
@TheQuestionGuy2

Na ja, "weg von Ego" ( schon mal gut ), "geht" doch dann nur wieder über etwas, das das Ego wieder ersetzt ( ob man das dann "höheres Selbst" oder "Gott", oder was auch immer nennt )...

Wie man es auch dreht: es bleibt immer etwas, das "ich" irgendwie erreichen will...

Je weniger "ich", umso weniger von dem, was "bleibt", was ich "verteidigen" muss.......

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TheQuestionGuy2 
Fragesteller
 23.03.2021, 16:48
@Buddhismus

Also ich hab mich echt viel mit Zen beschäftigt, und dort gibt es definitiv etwas undefinierbares, das nichts mit dem illusonären ich zu tun hat. Keine Ahnung wie das bei den anderen Traditionen ist :D. Wenn man alles verneint ist das ja auch sinnlos. Leerheit bedeutet ja, soweit ich es verstanden habe, nicht "leer" im sinne von "da ist nichts", sondern eher dass alles miteinander verbunden ist.

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Buddhismus  23.03.2021, 17:12
@TheQuestionGuy2

Ja. Aber nicht nur das. Es bedeutet auch: vergänglich ( weil eben ALLES nicht nur miteinander verbunden, sondern auch immer voneinander abhängig ist - in vielfältigster Weise ).

Deshalb "nicht-selbst" ( also nicht aus sich selbst heraus vorhanden oder bleibend ). Und so "dukkha" =letztlich unbefriedigend, ist...

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Buddhismus  23.03.2021, 17:26
@TheQuestionGuy2

Na ja, Zen ist nicht unbedingt mit dem identisch, was der Buddha lehrte ! Da gibt es - je nach Schule - sogar Aussagen, die denen des Buddha widersprechen, oder diese völlig ignorieren.

Ich gehe immer von dem aus, was der Buddha lehrte...

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Buddhismus  23.03.2021, 17:29
@Buddhismus

Ich habe gleich "Feierabend", bin dann erst mal auf dem Heimweg...

Wenn du magst, verlinke ich dir später noch ein paar "tiefer gehende" Vorträge zu diesem Thema (?) Vor allem auch zu dem dauernden Missverständnis, was "Ich, Selbst und Seele" nun meint, oder nicht meint ( im Buddhismus ).

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Ich finde deine Frage zur Leerheit wunderbar, weil sie zeigt, wie ernsthaft du dich mit deiner Religion auseinandersetzt, aber trotzdem offen bist für die Ansichten anderer Religionen.

An den detaillierten Antworten sieht man, dass es dir gelungen ist, eine fruchtbare Diskussion in Gang zu setzen und dass dieses Thema auch für erfahrene Buddhisten nicht einfach zu erklären ist.

Ich selbst kann bei dieser Diskussion nicht mithalten, weiss aber vom Tibetischen Buddhismus, dass die Mönche in langen Debatten unter anderem genau über solche Themen diskutieren, um ihren Verstand zu schärfen und so der wahren Absicht des Buddha Schritt für Schritt näher zu kommen.

Wie schon in anderen Antworten erklärt, bin ich sicher, dass es dem Buddha um etwas ganz Praktisches ging. Er hat klar gesehen, wie sich die Lebewesen z.B. durch Begierde und Hass selbst in endlose und grosse Schwierigkeiten bringen.

Solche Gefühle werden auch in anderen Religionen als Ursachen für Leid betrachtet. Der Buddha regt uns an, genauer in diese Emotionen hineinzuschauen und darauf zu achten, auf welchen (unbewussten) Ansichten sie beruhen.

Ist es nicht so, dass wir bei einem Feind der Ansicht sind, dass er schon immer ein Übeltäter war, es immer bleiben wird und dass er alle Menschen schlecht behandelt? Es erscheint so, dass die Eigenschaft Feind zu sein in diesem Menschen selbst vorhanden ist.

Wenn wir genauer darüber nachdenken merken wir, dass unsere Ansicht nicht richtig sein kann. Das gleiche gilt für Objekte die wir unbedingt haben wollen, weil sie uns als attraktiv erscheinen.

Jetzt habe ich mich doch in die Debatte über Leerheit eingemischt, bilde mir aber nicht ein, diese wirklich verstanden zu haben.

Anicca, dukkha und anatta sind die grundlegenden Eigenschaften aller Phänomene. Wenn wir diese untersuchen, sollten wir uns immer vor Augen halten, dass ein Konzept nur ein Konzept ist, also die logische Schlussfolgerung aus den eigenen Erfahrungen.

Wir sollten es dabei aber nicht belassen, denn es geht nicht um das Konzept, es geht um die Erfahrung. Die Vorstellung von Atman und Brahma sind Konzepte. Warum sollten wir daran verhaften? Anhaftung ist die Wurzel des Leidens, die der Buddhismus zu durchtrennen sucht. Entstanden ist sie aus Unwissenheit und der Annahme eines Selbst mit Wünschen und Abneigungen.

Wenn wir frei sein wollen, müssen wir all das loslassen. Wenn wir dem Tanz des Lebens folgen wollen, ist das dagegen nicht notwendig.


TheQuestionGuy2 
Fragesteller
 23.03.2021, 12:42

schwierig. Brahman ist eigentlich kein Konzept. Im Vedanta ist "er" undefinierbar. Selbst im Zen gibt es dieses etwas, das kein etwas ist. Aber eben auch nicht kein etwas. :D

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TheQuestionGuy2 
Fragesteller
 23.03.2021, 12:45

Und dieses wahre Selbst im Hinduismus/Vedanta ist eben kein ich. Es ist einfach irgendwas jenseits von Form und nicht Form.

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mendrup  23.03.2021, 13:06
@TheQuestionGuy2

Die Ausführungen von Nagarjuna bezüglich Leerheit sind sehr erhellend, aber auch sehr komplex. Vielleicht findest Du diese Texte: Madhjamakarika Sastra

Eine Gegenüberstellung zum Hinduistischen Begriff findest Du hier: http://www.spiritwiki.de/w/Sunyata

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Kommt auf die buddh. Richtung an: Im Nichiren-Buddhismus gibt es sehr wohl die Idee des "wahren selbst" - Das wahre Selbst ist im Nichiren-Buddhismus Teil des Ganzen und gleichzeitig das Ganze.

Nichiren-Buddhis glauben, dass alles gleichzeitig vergänglich und unendlich i.S.v.: Es verändert nur die äußere Form / ändert den "Aggregatzustand".

Nichiren-Buddhis erlauben sich kein Urteil über den (Nicht-)Erleuchtungszustand anderer Religionen. - Die Leerheit zu erkennen ist für sie nicht wichtig.

Die Idee rund um die "Leere" klingt für mich eher nach ZEN-Buddhismus (wobei ich da kein Experte bin).


TheQuestionGuy2 
Fragesteller
 22.03.2021, 13:23

Naja, das ist ja quasi die Grundlehre des Buddhismus. Aber ich denke, wahres Selbst und nicht-selbst liegen gar nicht so weit auseinander. Es geht ja bei allen religionen darum, das Ego loszuwerden, ich denke es ist egal, ob man sich dann auf das nicht selbst (Anatman) oder auf das "andere" Selbst (Atman) fokussiert. Bin mir aber eben nicht sicher, das könnte sich auch grundlegend widersprechen. Der Nirchiren Buddhismus klingt interessant!

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Von Experte Buddhismus bestätigt
  • kein "Selbst" in dem Sinne, dass etwas aus sich heraus existiert.

Bereits die Formulierung „aus sich heraus existiert“ hat (für mich) den leichten Beigeschmack bloßen philosophierens. „Ich“ und „Selbst“ wurden zur Zeit des Buddha sicherlich nicht so verstanden, wie wir heute darüber denken. Der Hauptunterschied liegt in der Eigenschaft der Beständigkeit : Veränderung.

  • kann dieses Konzept der Leerheit einfach nicht mit dem Hinduismus vereinbaren.

Schmunzel: Das würde Buddha höchstselbst wahrscheinlich auch nicht können. Der Aufschwung der „Leerheit“ begann Jahrhunderte nach Buddha, als die reine Lehre bereits im Niedergang begriffen war und die damaligen Menschen glaubten, sie „verbessern“ zu müssen.

  • Gibt es so einen großen Unterschied zwischen dem nicht-Selbst und dem wahren Selbst?

Dasselbe können sie natürlich nicht sein. Klar ausgesagt ist, daß das (was wir Heutigen für uns selbst halten) eben eine Täuschung/falsche Ansicht ist. So meinte etwa Seidenstücker, daß der Buddha den Atman auf dem indirekten Wege suchte, indem er vom Atta alles, was nicht Atta ist, absonderte. Leicht war/ist das nicht, denn es heißt „Den, der zur Ruhe ging, kein Maß ermisst ihn, von ihm zu sprechen gibt es keine Worte; verweht ist, was das Denken könnt´ erfassen, so ist der Rede jeder Pfad verschlossen. 

  • die Leerheit sei "die letztendliche Realität". Die Hindus sagen, alles ist unendlich, die Buddhisten sagen, alles ist vergänglich.

Keine Ahnung, was man schon alles als „die letztendliche Realität“ bezeichnet hat. Von ausschlagender Wichtigkeit hingegen ist, daß wir diese Lehre, die nur von einem Buddha entdeckt werden kann, verstehen und umsetzen. 

  • Im Endeffekt müssten Buddhisten doch dann denken, dass Yogis, und andere Hindus gar nicht erleuchtet sind, oder?

Ich kann mir schon vorstellen, dass einige Buddhisten so denken – aber: (siehe nächster Punkt)

  • Denn sie haben ja die Leerheit nicht erkannt (was ja laut dem Buddhismus sehr wichtig ist).

… diese scheinen es ja selber auch nicht erkannt zu haben. Zu Buddhas Zeiten, als es diesen Hype um die Leerheit noch nicht gab, erfahren wir von tatsächlich „Erwachten“ Anhängern, deren Zahl in die hunderte ging. Und heute? Trotz einer geradezu inflationären Zahl von Gurus, Meistern, Erleuchteten gehen fundierte Autoren "höchst vorsichtig" von der "reinen Möglichkeit" aus, daß es aktuell "eventuell" 2 oder 3 Erwachte geben "könnte". 

Kurz gesagt: Wir bemühen uns, dieses Thema bestmöglich intellektuell zu verstehen, volles Verständnis wird aber nicht sofort verlangt sondern stellt sich erst am Ende unseres Weges ein.


TheQuestionGuy2 
Fragesteller
 23.03.2021, 19:11

Ich persönlich denke, es ist einfach wichtig, dass man weiß, dass man nicht das Ego ist. WAS man tatsächlich ist, oder ob man ist, spielt ja eher eine untergeordnete Rolle. Ich mag zum Beispiel die Ansichten im Zen Buddhismus. Es gibt etwas "undefinierbares" (Gott?? Atman?? Unendlichkeit??), das "hinter" dem Ego ist. Die Hindus nennen es Atman, die Buddhisten, nicht-atman, die Zen Buddhisten (die ich oft gar nicht zum Buddhismus zähle ;) ) nennen es "undefinierbar". Viele meinen ja immer, Zen sei am "strengsten", aber das scheint mir nicht so. Ich denke, dass das alles nur verschiedene Namen für die selbe "Sache" sind.

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mendrup  23.03.2021, 20:37
@TheQuestionGuy2

Kurz soll Tilopa zu Wort kommen: Mahamudra liegt jenseits aller Worte und braucht keine Stützen.

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satian  24.03.2021, 08:32
@TheQuestionGuy2

Also ich glaube dich gut zu verstehen und daß wir im Prinzip weitgehend übereinstimmen. Ähnliche Gedanken habe ich mir auch schon oft gemacht. Vielleicht streiten sich manche nur um umgangssprachliche Begriffe, die die eigenen Erfahrungen (leider) nicht exakt wiedergeben können.

Viele Menschen sind vom Buddhismus enttäuscht, weil er nicht auf jede philosophische oder naturwissenschaftliche Frage eine Antwort bietet. Nun, dies war allerdings auch keineswegs Buddhas Absicht. Er erklärte mehrmals absolut eindeutig, daß er nur das mitteilt, was zum "Entrinnen" (aus dem Samsara) tauglich ist.

Die Diskussion um die "letztendliche Realität" verfängt sich so im "Netz der Ansichten". Das bloße Wissen darum ist für das Erreichen des Zieles ebenso unzureichend wie die Überzeugung eines Christen, daß es einen Himmel gibt.

Entscheidend ist "letztendlich" die Einsicht, die uns zum Betreten des "Auswegs" veranlasst, nämlich daß es für uns hier im Samsara "letztendlich" kein andauerndes Wohl zu finden gibt. Kürzlich las ich einen hierzu passenden Ausspruch (sinngemäß etwa): "Wer es richtig erkennt, handelt, wer nicht handelt, hat es nicht richtig erkannt."

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