Bewirkt Hollywood gerade das Gegenteil?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

"Hollywood" ist ein zu großer Begriff dafür, da gibt es viele Seiten.

Die eine Seite sind Konzerne wie Disney, die sind in der Regel grundkonservativ aufgebaut und eingestellt und versuchen Toleranz und Akzeptanz in Filmen zu verarbeiten, weil aktuelle Meinungsforschungen ergeben, dass das gut ankommt beim Zielpublikum. Viele Zielgruppen wurden bisher kaum von Filmen angesprochen, so zum Beispiel PoC oder LGBTQI+. Kapitalistisch orientierte Unternehmen wie Disney inkludieren diese Minderheiten nicht, weil sie Menschenfreunde sind oder eine Welt voller sozialer Gerechtigkeit wollen - immerhin profitieren sie von einer Welt sozialer Ungerechtigkeit. Sie machen dass, weil sie es sich nicht leisten können, es nicht zu machen. Da versuchen sie natürlich einen geeigneten Mittelweg zu gewinnen. Beispiel Arielle: großer Aufschrei von primär stark konservativen bzw. republikanischen Hardlinern (allgemein gesprochen, es gibt immer Ausnahmen), viel Support durch die angesprochene Minderheit sowie allen Sympathisanten - primär Demokraten. Das ist jetzt eine Waagschale und Disney versucht auszuloten, wer mehr Geld reinspült. Nach diversen Flops werden sie sicherlich ein wenig zurückrudern und versuchen, nicht ganz progressiv zu sein aber noch progressiv genug um diese Zielgruppe nicht zu verlieren.
Diese Seite sind die finanzorientierten Unternehmen und Studios, für die Filme nur ein Medium sind, um maximalen Profit rausschlagen zu können.

Auf der anderen Seite gibt es Filmschaffende, für die die Kunst im Vordergrund steht. Die schaffen es in der Regel, sensible Themen insbesondere in Bezug auf Minderheiten weniger plakativ aber dafür qualitativer zu verarbeiten. In der britischen Serie Good Omens beispielsweise zeigen die Engel ein sehr pluralistisches und repräsentatives Abbild der Realität. Da sind Engel verschiedenster Hautfarben und Geschlechter, Engel mit Einschränkungen und Engel ohne Einschränkungen, etc... Das halte ich für ein gelungenes Beispiel für Inklusion von Minderheiten. Das wird nie in irgendeiner Form thematisiert, die sind einfach da, so wie ich und du und alle anderen Menschen auf diesem Planeten. Die Mainstream-Blockbuster würden in so einem Beispiel sicherlich die Einschränkungen zum Thema machen um zu zeigen wie weltoffen sie doch sind, dabei ist doch die beste Inklusion es nicht zum Thema zu machen. Wenn man in der Realität einen Menschen im Rollstuhl sieht ist dessen gesamte Existenzgrundlage ja auch nicht der Rollstuhl, so aber oft in Filmen. Das gleiche gilt für PoC. Netflix wird gerne auf den Arm genommen für die starke Inklusion von PoC. Dabei finde ich, Netflix macht es richtig, es wird nicht zum Thema gemacht und ist auch einfach egal. Im Umkehrschluss würden ja PoC - Beispiel Bridgerton - von 90% aller möglichen Rollen von Grund auf ausgeschlossen werden weil es heißt "sorry, historisch gesehen gab es nur sehr wenige Menschen mit dunkler Haut in diesem Setting, keine Chance da mitzuspielen". Oder anders gesagt: die Geschichte, die von Unterdrückung und einer privilegierten weißen Gesellschaft geprägt wurde führt dazu, dass es heute in der Kunstwelt Unterdrückung und eine privilegierte weiße Gesellschaft geben soll. Da denke ich: auch wenn es manchmal komisch scheinen mag, es ist eigentlich der einzig sinnvolle Weg, denn wie gesagt, hellhäutige Menschen können ja beinahe alles spielen, auch nahezu jedes Fantasy-Setting wird von hellhäutigen Menschen dominiert, dunkelhäutige Menschen sollen laut Gesellschaft aber nur die Rollen spielen, bei denen es eine tiefere Bedeutung hat, dass sie dunkelhäutig sind. Eine Rechnung, die schwer aufgeht...
Bei diesen Filmschaffenden - auch wenn ich etwas abgedriftet bin - geht es in der Regel tatsächlich darum, Akzeptanz zu schaffen. Und die tragen meistens auch dazu bei, dass Toleranz und Akzeptanz gesteigert werden laut meiner Einschätzung. Das liegt aber auch daran, dass es ihnen in der Regel nicht wichtig ist, alle möglichen Zielgruppen ins Boot zu holen, die können es besser akzeptieren, manche Gruppen nicht anzusprechen.

Grundsätzlich denke ich macht das aber alles gar nicht so einen großen Unterschied. Wer sowieso schon Probleme mit Toleranz und Akzeptanz hat wird auch in Filmen ein Problem haben, wer offen ist und Menschen aller Arten und Lebensweisen akzeptieren und tolerieren kann, wird sich kaum daran stören, dass Kino nicht mehr komplett von weißen heterosexuellen Männern dominiert wird.


Mortonius69K 
Fragesteller
 24.08.2023, 11:52

Danke für die so ausführliche Antwort.

Sehr gut verfasst und ich stimme dir in den meisten Punkten zu

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Erstens sind Toleranz und Akzeptanz nicht "links", sondern Bestandteile einer bürgerlichen Gesellschaft mit einer freiheitlichen Grundordnung.

Zur Frage: Ich denke, das Thema publik zu machen ist sinnvoll.

Denn die Benachteiligung der betroffenen Gruppen liegt einfach daran, dass sie keiner auf dem Schirm hatte, weil sie im Lebensalltag nicht sichtbar wurden - einmal wegen der geringen Anzahl der Betroffenen, und zweitens weil sie sich verstecken mussten.

Leute, die eine "Genervtheit" proklamieren, sind vermutlich sowieso diejenigen mit einer homophoben und intoleranten Einstellung.

Und nicht zuletzt benutzen rechtspopulistische Kräfte das Thema für Ihre Machtinteressen, indem sie den Menschen Ängste einjagen und die Gleichstellung der betroffenen Personengruppen als Bedrohung darstellen. Was natürlich Quatsch ist und mich regelrecht ärgert.

In der Filmindustrie wurden wahrscheinlich Quoten eingeführt. In einem Film/Serie müssen mindestens 1 Frau, 1 schwarze und 1 LGBTQ-Person sein.

Ich persönlich finde diese Quoten nervig.


tevau  24.08.2023, 13:52
wahrscheinlich Quoten - Ich persönlich finde diese Quoten nervig.

Du nimmst Quoten an und beschwerst Dich dann über die als Tatsache. Sprich: Du willst Dich ärgern?

Und wenn es sie gäbe, was "nervt" dann daran? Das klingt wie ein (maximal subjektives) Restkriterium, wenn einem ein stichhaltiges Argument nicht mehr einfällt, oder?

Und an wem störst Du Dich: der queeren, der schwarzen oder der weiblichen Person?

Ich finde eine Vielfalt - selbst wenn sie bewusst geschaffen wurde - viel besser als wenn immer alles einheitlich ist und nur Klischees bedient werden. Ich will gerade im Film nicht die langweiligste aller Varianten sehen.

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Chink1  25.08.2023, 08:00
@tevau

Gegenfrage: Warum bezeichnest du Filme ohne Diversität als „langweilig“?

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tevau  30.08.2023, 15:17
@Chink1

Ich sage nicht, dass der ganze Film zwangsweise langweilig ist, aber die Darstellung der Protagonisten, wenn sie alle so sind wie ich.

Ein Film ist auch nicht zwangsweise langweilig, wenn in ihm nur VW Golfs und Skoda Octavias vorkommen. Aber wenn da auch mal ein Jaguar oder eine Ente gefahren werden, finde ich persönlich es reizvoller.

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