Zu aller erst: Die Unterscheidung in harmonische und melodische Tonleitern gibt es nur in Moll.
Bei der harmonischen Molltonleiter erhöhst du den siebten Tonschritt, der normalerweise eine kleine Septime von der Tonika aus gesehen, um einen Halbton. Die kleine wird zur größten Septime. Man kann sich auch denken, die Tonleiter wird in diesem Tonschritt "der Dur-Tonleiter angeglichen" - die hat für die 7. Tonstufe nämlich auch eine große Septime.
Bei der melodischen Molltonleiter erhöhst du zusätzlich zum 7. nun auch den 6. Tonschritt von einer normalerweisen kleinen Sexte auf eine große. Der 6. Tonschritt wird somit auch "einer Dur-Tonleiter angeglichen".
Warum es diese Unterscheidungen gibt zwischen natürlich, harmonisch und melodisch, das hat dann erst Bedeutung, wenn du Stücke komponierst oder analysierst. Es geht nämlich um die Erhöhung der Anzahl von Leittönen, die zu einer Kadenz (Auflösungsformel am Ende eines gedanklichen Abschnittes) führen können. Ein Leitton ist immer ein Halbton. Um den Sprung vom letzten (7.) Tonschritt auf die Oktave zu verkleinern und somit den auflösenden Leittoncharakter zu gewinnen, wird die Septime eben so angeglichen, dass nur noch ein Halbtonschritt dazwischenliegt. Praktisches Beispiel: E-Dur -> A-Moll klingt viel "perfekter" als E-Moll -> A-Moll. Grund dafür ist das gis in E-Dur, welches nicht in der natürlichen Molltonleiter vorkommt und in einem Halbtonverhältnis zur Tonika a steht. Im Gegensatz dazu würde das g in E-Moll einen Sprung g -> a implizieren, was keinen Leittoncharakter besitzt, da es sich um einen Ganztonschritt handelt.
In Dur hast du so ein Problem nicht - da sind die Leittöne am Ende der Tonleiter bereits vorhanden.
LG und schönen Tag