Xerxes Steuerbefreiung in Persien?

1 Antwort

Von Experte Neugier4711 bestätigt

Die Aussage zu Persien kann sich nach dem Gesichtspunkt sachlicher Richtigkeit nur auf die Persis (altpersisch: Pārsa; griechisch: Περσίς; lateinisch: Persis) beziehen, nicht auf das ganze Gebiet des antiken Perserreiches (das größer als das Gebiet des Staates Iran gewesen ist; als Gebiet entspricht die Persis der iranischen Provinz Fars in der Gegenwart). Mit Persien ist an dieser Stellle daher wohl Persien in dem Sinn der Region Persis gemeint. In der Region Persis lagen die als Residenzen des Königs genutzten Städte Pasargadai (altpersisch vermutlich: Pasārgadā, von Pāθra-gadā; griechisch: Πασαργάδαι; lateinisch: Pasargadae) und Persepolis (altpersisch: Pārsa; griechisch: Περσέπολις; lateinisch: Persepolis). Die Persis hatte im Achaimenidenreich keinen Satrapen. Sie unterstand dem König.

An Formen der Verwaltung sind im Reichsgebiet des Achaimenidenreiches nach der territorialen Beschaffenheit grundsätzlich zu unterscheiden:

1) Satrapien als reguläres Verwaltungsgebiet der eroberten Länder

2) königliche Domänen, die privater Besitz des Königs waren und einer eigenen Verwaltung unterstanden

3) einige teilweise autonome Völker, die nicht in die reguläres Verwaltung eingebunden waren, aber Teil des Gebietes des Achaimenidenreiches waren

Das Freisein der Persis von einer bestimmten Art finanzieller Belastung als Abgabe an den König des Perserreiches hat nicht erst Xerxes I. (altpersisch: Xšayāršā; griechisch: Ξέρξης; lateinisch: Xerxes) eingeführt, sondern wahrscheinlich Dareios I. (altpersisch: Dārayava(h)uš; griechisch: Δαρεῖος; lateinisch: Darius), sein Vater, der als erster Herrscher regelmäßige und in der Höhe genau bestinmmte Tribute für das Perserreich festgelegt hat. Das Freisein der Persis von dieser bestimmten Abgabenart hat in der Zeit des Achaimenidenreiches (erstes persisches Großreich, benannt nach der Dynastie der Achaimeniden, die als ihren Begründer/Stammvater den sagenhaften Achaimenes [altpersisch: Hakhāmanis̆; griechisch: Ἀχαιμένης; lateinisch: Achaemenes] verstand) Bestand gehabt.

Der griechische Geschichtschreiber Herodot (griechisch: Ἡρόδοτος [Herodotos]; lateinisch: Herodotus) überliefert zu den Ländern des Perserreiches, er habe allein das persische Land/das Land Persis (ἡ Περσὶς χώρη) nicht tributpflichtig (δασμοφόρος) genannt, denn die Perser hätten ihr Land abgabenfrei (ἀτελέα; Nominativ dazu: ἀτελής).

Herodot 3, 97, 1:

αὗται μὲν ἀρχαί τε ἦσαν καὶ φόρων ἐπιτάξιες. ἡ Περσὶς δὲ χώρη μούνη μοι οὐκ εἴρηται δασμοφόρος· ἀτελέα γὰρ Πέρσαι νέμονται χώρην.

Die Geschichten des Herodot. Deutsch von Heinrich Stein. Erster Band: Erstes bis viertes Buch. Oldenburg : Ferdinand Schmidt, 1875, S. 250:

„Dies waren die Provinzen und die Steuerlasten. Nur allein Persien habe ich nicht aufgezählt als steuerpflichtig; denn der Perser Land ist frei von jeglicher Abgabe.“

Herodot, Historien : griechisch – deutsch. Herausgegeben von Josef Feix. Erster Band: Bücher I - V. 7. Auflage. Düsseldorf : Artemis & Winkler, 2006 (Samnmlung Tusculum), S. 451:

„Das nun waren die Bezirke und die Abgabensummen. Ich habe das persische Land nicht unter den zinspflichtigen Völkern aufgezählt, weil es keine Abgaben zahlt.“

Herodot, Historien. Übersetzt und herausgegeben von Kai Brodersen und Christine Ley-Hutton. Ditzingen : Reclam, 2019 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 19624), S. 289 – 290:

„Das also die Bezirke und die auferlegten Abgabenzahlungen. Allein das persische Land ist von mir nicht als tributpflichtig genannt worden. Die Perser bewohnen ihr Land nämlich, ohne Steuern zahlen zu müssen.“

Griechische Quellen verwenden als Bezeichnung für Tribut anfangs δασμός (dasmos; Steuer, Tribut), später φόρος (phoros; Abgabe, Steuer, Tribut, Einkunft). In altpersischen Königsinschriften gibt es als Bezeichnung für Tribut den Ausdruck bāji-.

Herodot geht zu weit, wenn er die Persis für ganz abgabenfrei hält. Denn persische Keilschrifttafeln aus Persepolis belegen mehrere Arten von Abgaben in der Persis. Mit dem, das die Persis nicht zu leisten hat, ist der Tribut gemeint, den unterworfene Völker an die herrschende Macht zu geben hatten.

Der Tribut war wohl bereits in den allgemeinen Steuern enthalten bzw. ein Aufschlag zu ihnen. Ein indirektes Anzeichen dafür gibt es in den persischen Keilschrifttafeln aus Persepolis, die für Babylonien, Susa und Arachosien einen Schatz erwähnen, nicht aber für die Persis. Vom Gesamtbetrag, den die Bevölkerung einer Satrapie an Abgaben entrichtete, verblieb ein Großteil in der Satrapie, weil er als Lohn für Angestellte verwendet wurde. Ein verhältnismäßig kleiner Anteil wurde in Edelmetall umgewandelt, verblieb als Schatz im Schatzhaus des Satrapen und ging als Einkunft an den König.

siehe dazu:

Hilmar Klinkott, Steuern, Zölle und Tribute im Achaimenidenreich. In: Geschenke und Steuern, Zölle und Tribute : antike Abgabenformen in Anspruch und Wirklichkeit. Herausgegeben von H.[ilmar] Klinkott, S.[abine] Kubisch und R.[enate] Müller-Wollermann. Leiden ; Boston : Brill, 2007, S. 263 - 290

S. 271: „Die Persis als Kernland war von dieser Belastung ausgenommen, hatte jedoch andere Abgaben – die nicht Phoros hießen – zu entrichten. Zudem war die Befreiung an das Land gebunden, nicht aber an die ethnische Zugehörigkeit. Demnach hatten Perser, die nicht in der Persis lebten, Phoros zu zahlen.

Die Sonderstellung des Kernlandes scheint nicht von Anfang an bestanden zu haben, sondern wurde wohl erst nach der Niederwerfung des Magers Gaumāta durch Dareios I. eingerichtet. In der frühesten Inschrift Dareios' I. am Felsen von Behistun erscheint Persien in der Liste der unterworfenen Länder, genauer: an deren Spitze, die dem Großkönig Tribut zu bringen hatten. Seit der späteren Dareios-Inschrift e aus Persepolis (DPe 8f.) jedoch wird Persien unmittelbar und scheinbar gleichwertig mit dem Großkönig genannt. Es fehlt folglich in der Liste der tributbringenden Länder, die meist mit Elam, Medien und Babylon beginnt.“

Gabriele Gierlich, Prunk und Pracht der Großkönige. Das Persische Weltreich. Handreichung für Lehrkräfte. Historisches Museum der Pfalz Speyer. Junges Museum.

https://museum.speyer.de/fileadmin/introduction/downloads/Handreichungen/PDFs/Handreichung_Die_Perser.pdf+&cd=3&hl=de&ct=clnk&gl=de S. 18:

„Steuern mussten im ganzen Reich entrichtet werden. Die Abgabenlast scheint offensichtlich als nicht allzu bedrückend empfunden worden zu sein. Für die Festlegung der Steuerhöhe war der Satrap zuständig. Jedes Jahr musste man sowohl von den Erträgen des Ackerbaus als auch von den Tierherden den Zehnten abliefern. Wir wissen, dass eigens Beamte für Volkszählungen durchs Land geschickt wurden, die gleichzeitig den Vermögensstand der Bewohner zu überprüfen hatten.

Auch in der Persis mussten Steuern gezahlt werden, obwohl Herodot (III,97) behauptet, dass die Einwohner der Persis steuerfrei lebten. Was Herodot wohl gemeint hat, ist, dass das Stammland der Perser von den Tributzahlungen befreit war, die die unterworfenen Völker entrichten mussten. Dies galt aber nicht für die Befreiung von Steuern. Die Perser sahen sich im Reichsverbund als die herrschende Elite an, deshalb genossen sie auch eine gewisse Sonderstellung.“


Neugier4711  30.07.2022, 08:46

Ich danke dir für diese super Erklärung. Da habe ich wieder vieles dazu lernen dürfen.

1