Warum werden ausgefallene Religionen und Glaubensrichtungen oft belächelt, auch von religiösen Menschen?

15 Antworten

Weil es die reine Anzahl der Anhänger ausmacht, ob etwas als "normal" gilt und etwas anderes als "verrückt".

Zwei Beispiele.

Nehmen wir an, es kommt jemand daher und erzählt mit völligem Ernst, Aliens würden mit ihm jeden Abend pünktlich zwischen 20:12 und 21:09 Uhr durch sein Dampfbügeleisen sprechen und ihm Rezepte zu Erlangung des Weltfriedens vermitteln.

Na klar, der hat deutlichst einen anner Waffel wird man sofort denken. In der Tat schrammt der haarscharf an einem Klapsmühlenaufenthalt und medikamentöser Ruhigstellung vorbei.

Und nun kommt jemand, der erzählt was von einem kosmischen unsichtbaren Phantom (das trotzdem so aussieht wie ein Mensch), zwei Menschen in einem Wunderland mit einem Wunderbaum und verbotenen Früchten, sprechenden Schlangen, Engel mit Flammenschwertern, gebährenden Jungfrauen, Höllenfeuern und auferstandenen Zimmermännern nebst einiger Hunderttausend Morde und Genozide brutalster Art - und alles wird gut, wenn man nur in regelmäßigen Abständen virtuell in Menschenfleisch umgewandelte Teigoblaten einwirft

Und plötzlich soll das was ganz anderes sein und statt Klappsmühle bekommt der unter Umständen von Steuergeldern finanziert die Gelegenheit, seine Story unters Volk zu bringen, ja wird sogar noch vom Staat bezahlt dafür und darf sich mit Talkshowauftritten noch was dazuverdienen  und wege wenn Du was sagst, dann bist Du intolerant und bekommst Prügel mittels der Nazikeule.

An was liegt das?

An der reinen Anzahl derer, die das jeweilige Märchen ernst nehmen. Das ist schon alles.

Wenn genug Leute die Geschichte mit den Aliens ernst nehmen, klappt das auch bei dem irgendwann. Nichts ist so infantil, dass es nicht doch noch wer ernst nimmt und findet man genug, wird es steuerlich gefördert.

Und selbstverständlich besteht hierbei ein Konkurrenzdenken zwischen den Vertretern der jeweiligen Märchenerzählergilde. Die wissen genau, nimmt jeweils meine Schäfchenanzahl ab, wirds eng. Drum wird natürlich auf der Konkurrenz herumgetrampelt, die wollen einem das Wasser abgraben. Also, wehret den Anfängen, Konkurrenz gleich im Keim ersticken.


earnest  10.03.2017, 22:23

Ich hab da immer den "Papua-Neuguinea-Test" im Kopf.

Wie der geht?

Ich stelle mir vor, wie ich einem Ureinwohner von Papua-Neuguinea die Dreifaltigkeit erkläre.

Und er erklärt mir anschließend - in aller Freundschaft natürlich - die religiösen Kopfjäger-Rituale.

Das wird sicher ein interessanter interkultureller Austausch.

;-)

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earnest  11.03.2017, 06:54
@earnest

In einer zweiten Runde erkläre ich ihm das Abendmahl.

Bei den Worten: "Dies ist mein Blut...., dies ist mein Fleisch..." sehe ich ein Leuchten in seinen Augen. Er klopft mir auf die Schulter und sagt: "Ich habe dich verstanden, Bruder."

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Wenn die Betonung auf "oft, aber nicht immer" liegt, dann sehe ich die Ursache dafür als diejenige Notlösung, mit der der Fokus auf andere gelenkt wird, damit die eigenen Anteile an Unsinnsglauben möglichst nicht ins Licht der Betrachtung geraten.

Treffende Beispiele dafür gibt es reichlich, weil es wohl nur sehr wenige Erwachsene in Deutschland gibt, die noch nie von Sektierern angesprochen wurden. In solchen Fällen geht es dann darum, daß die Angesprochenen alle "ihre eigenen Irrtümer" erkennen sollen (oft sehr geschickt dadurch dargestellt, daß dann über bestimmte andere Glaubensrichtungen hergezogen wird), um sie gegen die sog. "Wahrheiten" des Sektieres auszutauschen.

Das Nichtrespektieren des Glaubens anderer hat keineswegs immer nur einen negativen Geschmack, weil sich auch religiöser Glaube recht massiv auf jede Menge andere Bereiche mit auswirken kann.

Auch zu meinen, daß über den Weg laufende schwarze Katzen Unglück bringen, ist eine Form von Glauben.

Wie willkommen ist wohl einem Arbeitgeber ein solcher Glaube, wenn ein Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheint, weil ihm mal wieder eine schwarze Katze über den Weg gelaufen ist?

Und wie gedeihlich wird das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sein, wenn sich aus der Sicht des Arbeitnehmers sein Chef "total vernunftresistent" zeigt und einfach nicht einsehen will, daß schwarze Katzen Unglück bringen?

Glauben und Wissen ist selten zusammen anzutreffen. Wissen ist immer begrenzt, Glauben auch.

Es gibt zu viele Menschen, die zu wenig wissen. Auch über ihre eigene Religion. 

Es gibt zu wenig Menschen, die genügend Glauben und genügend Liebe oder Hoffnung haben.

Dieser Umstand schafft "Glaubenskriege", denn die meisten Menschen haben nie verstanden, das wir alle in einem Boot sitzen und nur die unbedingte Solidarität uns als Menschen noch retten kann.  

Warum werden ausgefallene Religionen und Glaubensrichtungen oft belächelt

Weil Religion vor allem menschliche Kultur ist. Die Mythologie und Dogmatik einer Religion ist noch mal ein eigener Bereich, der für viele nur eine Nebenrolle spielt.

Hängt jetzt jemand exotischen Religionen an, dann fällt dieser kulturelle, gesellschaftliche Aspekt eher weg und der mythologisch dogmatische Inhalt tritt in den Vordergrund.

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Was mich vor allem wundert ist das dies auch oft von Menschen christlichen oder muslimischem Glaubens ausgeht, denn diese Menschen sind doch selbst Gläubig

Mich wundert es, dass dich das wundert. Wenn ich nicht gläubig bin, dann stehe ich der Sache meist eher neutral gegenüber. Wenn ich jedoch gläubig bin, vertrete ich eine spezifische Sicht. Es ist also nur logisch, dass gerade Christen oder Muslime hier eine kritische Haltung einnehmen.

Weil viele Menschen sich stark fühlen, wenn sie mit der (vermeintlichen ?) Mehrheit konform gehen und auf alle treten, die nicht dazugehören. Das ist auch der Grund für den Erfolg so mancher Haßprediger.



matmatmat  11.03.2017, 07:15

Ja, braucht man sich ja nur anzuschauen was aus den Ideen des Haßpredigers Luther so geworden ist... und heute feiern wir das leider noch. Absurd, oder?

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earnest  11.03.2017, 10:17
@matmatmat

Nein, "wir" feiern nicht den "Hass"-Prediger Luther.

Da hast du anscheinend etwas nicht ganz verstanden, wen immer du mit "wir" meinen magst.

Meinst du nicht auch, dass die Reformation ein Grund zum Feiern ist?

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scatha  11.03.2017, 14:36
@earnest

Luther ist nun gerade überhaupt nicht ein Beispiel für den Typ Menschen von dem ich oben gesprochen habe. Er empfand das Verhalten der Kirche als unzumutbar und machte sie unter großen Gefahren für sich selbst darauf aufmerksam. Und, ja, die Reformation ist ein guter Grund zu Feiern - leider ist die Kirche dadurch gespalten worden, was Luther nicht vorhatte.

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