Spielen Autisten "anders" Musikinstrumente?!

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Ich kann mir gut vorstellen, dass Autisten sich intensiv auf einen Bereich fixieren und konzentrieren können und das über jegliche Norm hinaus, wo ein Nichtautist schon längst die Tür hinter sich zugemacht hätte. Sprich, sind sie einmal in ihrer Welt "verfangen" bzw. mitten in ihrem Element, könnten sie stundenlang wiederkehrend ein und die gleichen Abläufe vollstrecken. Bzgl. Savants, da muß man ganz klar und deutlich Mißstände aus dem Weg räumen. Autisten sind nicht gleich Savants!

Es gibt wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel den Derek Paravicini, er ist Autist und Savant. Hier muß ebenfalls der Hintergrund seiner Begabung beleuchtet werden. Der Mann ist blind und hat neurolgisch bedingt zurückgebliebene Schäden. Er ist nicht befähigt für sich selbst zu sorgen! Er wurde als Kleinkind an die Musik durch das Klavier herangeführt. Seine Stärken liegen darin, daß er von einem einmaligen Zuhören das Werk sofort und auf Anhieb spielen kann ohne die Noten sehen zu können. Bitte seine Sinnesstärken berücksichtigen, warum er dazu befähigt ist! Er sieht nichts, also liegen demnach seine Stärken auf das Hören. Ein studierter Musiker oder sage ich einfach wo Konzertpianisten sich Woche(n) zuvor auf etwas vorbereiten, spielt dieser Mensch als wäre es das normalste auf der Welt. Er greift auf ein Repertoire irgendwo in seinem Gehirn zurück, was vor allem sofort abrufbar ist, wo Nichtbetroffene davon nur träumen können.

Dann unterscheide man zwischen den verschiedenen Lerntypen. Dafür muß man kein Autist oder Savant sein! Hier jetzt in die Materie einzusteigen, sprengt den Rahmen, ich verweise Dich auf die Soziologie, werden die Lerntypen erläutert.

Nur mal so am Rande winzige Beispiele zusammengewürfelt:

  • es gibt Mitmenschen, die über ein absolut fotografisches Gedächtnis verfügen,
  • es gibt Menschen die müssen bis in kleinste Detail alles auseinander nehmen,
  • es gibt Menschen die konzentrieren sich nur auf das Hören,
  • es gibt Menschen, die nur durch das Hinschauen ihre Lernstärke erreichen,
  • es gibt Menschen, die mehr über den Tastsinn erlernen,
  • es gibt Menschen, denen ist Stillsitzen, Ruhe usw. verhaßt. Sie brauchen Bewegung, haben im Hintergrund Dudelmucke am laufen oder summen selbst vor sich hin, während sie etwas erlernen
  • usw. usf.

Nu reichts aber, genug getippt, muß ich weiter schreiben? Erkennst Du ein wenig Dein eigenes Lernmuster? Welcher Lerntyp bist Du? Und dabei war ich nur oberflächlich!

Komme ich zu dem "anders sein". Nun, mögen mir die Asiaten es nicht verübeln aber ein noch besseres Beispiel gibt es an dieser Stelle nicht. Bei den Chinesen werden die Kinder von klein auf an zu etwas gedrillt, ist so. Sieht man sie ausgewachsen später in irgendwelchen Konzerten stehen oder sitzen, hat man als Zuschauer und Hörer das Gefühl, eine Robotermaschine leiert perfekt irgendwas herunter. Na toll, und wo bitte ist die Lebendigkeit? Genau die Interpretation die erst den Zuhörer begeistern lassen? Schaue Dir vor allem ältere Aufnahmen von Lang Lang an, was für ein Grimmassenaffe und Visagenschneiderei wo ich mich frag(t)e, was war genau an dieser Stelle so besonders? Sieht man ihm genau bei den Ausführungen zu, wird sehr wohl seine Showeinlage deutlich, das hat nichts mehr mit Interpretation gemeinsam! Ob er vielleicht anders gelernt hat? Andere sind nicht nur gedrillt sondern können ebenfalls sofort falsche Tonausübungen zuordnen, da es Muster sind die wiederholend in Erscheinung treten, sofern man über ein absolutes Gehör verfügt bzw. auch die Werke kennt usw. Du merkst, dass auch hier wieder verschiedene Elemente aufeinander treffen.

Okay, ein Video möchte ich Dir an dieser Stelle auch nicht vorenthalten. Hier der Derek Paravicini, der Mann ist einfach ein Phänomen. Ich verlinke an dieser Stelle lediglich den Kanal, such' Dir ein passendes Videos raus http://www.youtube.com/channel/UCnCl4JGcT2BDTCtAyI73Iww/videos

Und hier ein Video ~ 45 min Länge, ist es absolut wert sich das anzusehen!

Hallo, sorry, dass ich die alte Frage nochmal ausgrabe. Ich selbst bin Asperger. Es wurde zwar nie was offiziell diagnostiziert, aber ich selbst habe viel darüber gelesen und es gibt verdammt viele Hinweise die dafür sprechen. Um auf den Punkt zu kommen: Ich habe ein unglaubliches Verständnis für Musik. Für mich ist Musik eine Sprache, die ich perfekt beherrsche, und um es krass auszudrücken auch die einzige die für mich Sinn macht. (Ich gehöre aber nicht zu denen die nicht verbal kommunizieren) Wenn man mir ein Instrument aus dem entlegensten Eck der Welt in die Hand drückt, das ich noch nie gesehen habe kann ich es quasi einfach spielen. Zwar noch nicht perfekt, aber ich kann es spielen. Gibt man mir noch 1-3 Monate, kann ich es schon auf einem Level, wofür andere 1-2 Jahre üben würden. Ich spüre einfach sozusagen das Informationsfeld des Instruments und weiß wie es funktioniert, wie man es hält, etc.. Klingt verrückt, ich weiß! Ich habe ein unglaubliches Gehör und mich macht es verrückt, wenn ich ungewollte Disharmonien in der Musik höre, da rollen sich mir die Zehennägel auf! Und ich lerne komplexe Musikstücke sehr schnell, alles nach Gehör, ich habe nie Notenlesen gelernt. Ich bin der Meinung, dass etwas energetisches wie Musik nicht in etwas weltliches wie Schrift gefasst werden kann und habe absolut keinen Bezug zu Noten. Musik ist einfach mein Zuhause, da geh ich voll auf und fühle mich geborgen. Sie ist meine Insel in dieser verrückten, reizüberfluteten Welt, die mich noch nie verstanden hat und die ich wohl auch nie ganz verstehen werde.

Ich habe auch echt lang gebraucht zu verstehen, dass Musik eben nicht für jeden so "selbstverständlich" ist wie für mich, was mir auch in einigen Bands immer wieder Schwierigkeiten gebracht hat, weil ich einfach zu ungeduldig mit den Anderen war und mein eigener Anspruch durch mein Gespür eben so hoch ist. Daran habe ich aber auch gearbeitet und mittlerweile kann ich das Musizieren mit anderen in vollen Zügen genießen. Wobei ich es auch liebe mich alleine in meinem Studio zu verkriechen und in meine Klangwelten zu entschweben.

Ich hoffe ich konnte dir einen Eindruck geben, wie die Beziehung eines Aspergers (Wenn man jenen Menschen einen Stempel geben will) zu Musik sein KANN.


hendrixplek  24.06.2018, 10:25

Ich habe vergessen zu erwähnen, dass ich Musik sehen kann. Vor allem wenn ich selbst Musik mache und die Augen schließe, bin ich in einer Welt aus Farben und Formen, das kann man nicht beschreiben, da hört die menschliche Sprache einfach auf. Wenn ich Musik höre, kommt es sehr auf die Musik und die Situation an.

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Hallo an alle!ich heisse roland ich bin 41 Jahre alt und ich spiele gerne klavier. Ich kann nicht nach noten spielen,aber ich hab da eigene methoden,was das spielen betrifft.ich kuck mir über internet klavierkonzerte an und mein gehör und meine fähigkeiten "basteln" meine eigenen musikstücke zusammen. Und ich bekomme einen schönen satz zu gehör:"du spielst sehr schöne klaviermusik". Ich bin übrigens autist.und trotzdem freue ich mich über solche komplimente. Ich hab mit 30 angefangen klavier zu spielen.und keyboard spielen mag ich auch sehr.wenn ich spiele,dann stelle ich mir fotos bereit auf denen pianisten zu sehen sind.das fordert meine kreativität beim spielen.klavier und keyboard sind meine lieblingsinstrumente.mein wunsch:auf einem konzertflügel zu spielen.

Das kommt auf den Einzelfall an. Bei uns Autisten gibt es Musikalische und Unmusikalische, genau wie bei allen anderen Menschen.

Ich bin Asperger und spiele zwei Instrumente. Aber ich hatte selten den Eindruck, dass ich viel anders als üblich spielen würde. Ich lese Noten, habe kein absolutes Gehör, müsste stundenlang üben und so weiter.

Wie lernt ihr "Normalen" eigentlich ein Lied auswendig? Eventuell ist das bei mir ungewöhnlich. Ich stelle mir im Kopf nicht die Noten vor, sondern die Griffe auf der Klaviatur und das Gefühl in der Hand. Das heißt, ich merke mir nicht den nächsten Akkord in Einzeltönen, sondern eher wie die Hand sich gleich anfühlen soll und in welche Richtung sich die Melodie bewegt.
Die aktuell und demnächst gespielten Tasten denke ich als synästhetischen Farbcode sowie als Akkordbezeichnung (wenn ich sie kenne). Die synästhetischen Farben des gehörten Tons, der gedruckten Note und des Fingers überlagern sich zu einem Gesamteindruck dieser Lied-Sekunde.
Ob ich gerade falsch gespielt habe, sehe ich an einer Farbverzerrung: Bei einem falschen Akkord verschwinden schlagartig die Blautöne aus der Musik. Solange der falsche Ton zu hören ist, klingt alles rötlich bis rotbraun und aufgeraut. Richtig gespielte Musik hat immer einen deutlich kühleren, glatteren Klang.

Aber da bei weitem nicht alle Autisten auch Synästhetiker sind, lässt sich nichts davon auf alle Autisten übertragen. Wie gesagt, das lässt sich auf keine Weise pauschalisieren.

Ich glaube, sie könnten es schon, nur scheitert es vielleicht an ihrem Multitasking-Fähigkeiten. Also ich hab einige Instrumente gespielt, hab meinen Bruder dann auch einmal versuchen lassen.

Während ich überhaupt nicht trommeln kann, hat er keine Schwierigkeiten. Aber bei Akkordeon, Flöte und Gitarre ist er doch gescheitert. Er konnte zum Beispiel beim Akkordeon einfach nicht auf der einen Seite die Melodie spielen, während er auf der anderen die Knöpfe drücken muss. Bei Gitarre umgreifen und zupfen, konnte er überhaupt nicht. Aber Melodica spielen konnte er schon.

Also glaube ich, dass hängt auch ein bisschen vom Instrument ab. Ob dass so anders ist, als von einem gleich guten Musiker, weiß ich nicht. Nur wahrscheinlich kann er nicht so gefühlsmäßig wie ein normaler Mensch spielen.