Ist Wissenschaft subjektiv?

6 Antworten

Ja und nein.

Innerhalb unseres Systems ist sie objektiv. Durch die Brille einer materialistischen Weltsicht, die wir als Werkzeug benutzen, kombiniert mit der Logik als Sprache und Grundannahme, stellen wir Modelle auf und bedienen uns der Empirie um Aussagen zu treffen, die innerhalb des Systems korrekt sind und Modelle inmer weiter zu verfeinern. Modelle sind zudem natürlich keine 1:1 Abbilder der Realität, sondern eben Modelle. Aber das was diese Modelle Aussagen sind innerhalb unseres Systems i.d.R. Fakten.

Das System und die Realität - das ist der Knackpunkt - das sind subjektive Wahrheiten.

Sokrates "Ich weiß, dass ich nichts weiß" ist immer noch unangefochten einfach und genial.

Ja, wir können nichts zu 100% wissen.

Ich persönlich halte den radikalen Skeptizismus für die einzig richtige Haltung und finde, jeder Wissenschaftler sollte sie grundlegend einnehmen - und im Bewusstsein, dass sie nur innerhalb eines bestimmten Systems korrekt sind, das aber auch nötig ist, Fakten schaffen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Anthropologie, Orientalistik & Biologie-Studium

Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:51

und wie oft sollte man etwas machen bis man davon ausgeht dass es mit höher Wahrscheinlichkeit objektiv ist ( auch wenn wir keine Objektivität sehen können ) ? und das heißt dass die Wissenschaft auf einem anderen Planeten auch ganz anders aussehen könnte als bei uns ?

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leChatNoir267  20.05.2024, 12:03
@Marwin388
und wie oft sollte man etwas machen bis man davon ausgeht dass es mit höher Wahrscheinlichkeit objektiv ist ( auch wenn wir keine Objektivität sehen können )?

Das bricht den radikalen Skeptizismus leider nicht. Egal wie oft wir es wiederholen, zu 100% wissen können wir es nie.

Aber in Ordnung, innerhalb unseres Erkenntnissystems muss es, zumindest in den Naturwissenschaften i.d.R. reproduzierbar sein und statistische Signifikanz (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Statistische_Signifikanz) haben. Bei anderen empirischen Wissenschaften ist das jedoch teilweise anders.

und das heißt dass die Wissenschaft auf einem anderen Planeten auch ganz anders aussehen könnte als bei uns ?

Ja, aber so weit musst du gar nicht gehen - auch auf unserem Planteten. Es gibt sehr, sehr viele komplexe Weltsichten.

Ob das dann aber noch Wissenschaft ist/wäre... Eher nicht. Die Wissenschaft ist schließlich eigentlich kein pauschales Wort, sondern ist eine Tradition, die auf unseren Philosophien Materialismus, Empirismus und Rationalismus basiert und diese auch voraussetzt.

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Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 12:06
@leChatNoir267
Ja, aber so weit musst du gar nicht gehen - auch auf unserem Planteten. Es gibt sehr, sehr viele komplexe Weltsichten.
Ob das dann aber noch Wissenschaft ist/wäre... Eher nicht. Die Wissenschaft ist schließlich eigentlich kein pauschales Wort, sondern ist eine Tradition, die auf unseren Philosophien Materialismus, Empirismus und Rationalismus basiert und diese auch voraussetzt.

sehr interessant. kannst du ein Beispiel geben ?

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leChatNoir267  20.05.2024, 14:02
@Marwin388

Ganz klassisch wäre die indische Philosophie, die aber der europäischen Philosophie noch vergleichsweise ähnlich ist. Jedoch besitzt sie auch für uns fremde empirische Herangensweisen und idealistische Vorstelungen.

Naja, und es fängt schon ganz grundlegend bei Dualismus und Monismus, bei Materialismus und Idealismus, determinismus und indeterminismus an.

Auch die Sapir-Whorf-Hypothese ist dahingehend sehr wichtig (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Sapir-Whorf-Hypothese), wo wir dann zum Henne-Ei-Problem kommen, ob Realität Sprache oder Sprache Realität erschafft. Viele Menschen sind sich gar nicht bewusst wie unfassbar fremdartig die Realitätsstruktur in anderen Sprachen sein kann.

Wie beispielsweise das Mayat'an keine Zeitformen hat und komplexe Zeiten widergibt https://youtu.be/eaNeA3sKBSI?si=ILVhx7BFYcCFVaFD

Oder die Ojibwe Sprache, wie andere nordamerikanische, indigene Sprachen, eine Grammatik der Belebtheit hat und zugleich Verbenbasiert ist und auch für uns unbelebte "Dinge" belebt, sowie sächliche Dinge zu Handlungen und Geschehnissen macht. https://www.sciencefriday.com/articles/braiding-sweetgrass-excerpt/

Noch mehr zu Zeitstrukturen: https://youtu.be/u6eXw0AAKZ8?si=ulLtSJNbBW4zaguj

Zur Farbwahrnemung/kategorisierung: https://youtu.be/gvJjVdVuS4w?si=R5PSB7oPP-Bku-r0

Das gibt einen winzigen Einblick dahingehend, wie fremdartig Kosmologien und ontologisches Denken in anderen Kulturen sein können.

Die Hopi zum Beispiel, haben wie viele andere Kulturen auch, ein zyklisches Zeitverständnis, im Gegensatz zu unserem linearen Zeitverständnis, und geichzeitig ein allgegenwärtiges, bei dem nicht zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterschieden wird.

Oder die Navajo, mit ihrer komplexen Struktur des Universums.

Die Aborigines, die ebenso kein lineares Zeit Verständnis haben und bei denen die Entstehung des Universums keinen Beginn hat sondern konstant immer und überall geschieht, Vergangenheit gegenwart und zukunft mit einander verstränkt sind genau wie Materialismus und Idealismus.

Die daoistische Weltsicht. Wenn du versuchst, das Daodejing zu lesen, wirst du vermutlich kein Wort verstehen, was mit der völlig anderen Denkweise einhergeht.

Auch kommen völlig andere Zahlen-, Zähl- und Rechensysteme dazu.

Und ich habe hier nur einen winzigen Teil der Vielfalt angebrochen.

Alles ohne Anspruch auf Richtigkeit beschrieben - ich kann mir nicht anmaßen diese Kosmologien zu verstehen, dafür bin ich und mein Denken zu mitteleuropäisch erzogen und beeinflusst.

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Hallo,

das ist ganz einfach:

Subjektiv ist es, wenn du beobachtest ob es regnet oder nicht.

Objektiv ist, wenn du im Regen stehts und nass wirst.

Und das kannst du so übertragen.

Hansi


Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:24

Aber wir können nicht die Wahrheit an sich wissen . wie kannst du dann 100% davon ausgehen dass es gerade regnet ?

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Kerner  20.05.2024, 11:36
@Marwin388

Spätestens dann wenn du nass bist.

Dann kannst du rückgängig darauf schließen:

Wer nass ist, stand mir aller Wahrscheinlichkeit im Regen.

Daraus bildest du dann eine Aussage.

Bildest eine Probandengruppe,
und schickst diese in den Regen.

Wenn sie von jemand anders vollgespritzt werden,
oder aus dem Badezimmer kommen,
hast du sogar noch deine Abweichungen,
und kannst diese eliminieren.

Dann determinierst du daraus ein Axiom.
Und definierst die Abweichungen,
und schließt diese subjektiv aus.

Und schon hast du eine wahre Aussage.

Hansi

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Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:39
@Kerner

hmm interessant. Also durch erfolgreiches testen/immer gleiches Ergebnis ?

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Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:43
@Kerner

Danke für deine Zeit. Hab einen schönen Tag !!

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Wenn Du diesem extremen Skeptizismus anhängst, dann musst Du auch jede Antwort auf Deine Frage als nur subjektiv wahr, also ausschließlich in Deinem Ideoskosmos stattfindenden, betrachten und somit ist sie für Dich nicht bindend, also irrelevant!

Es ist sinnlos, Deine Frage zu beantworten und es war sinnlos, sie zu stellen!

Diese Aussage gilt auch rekursiv für diese selbst!


Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 12:08

Auch wenn meine Frage stark nach extremen Skeptizismus anhört, so heißt das nicht dass ich nicht nach objektiver Wahrheit strebe

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Ich warte eigentlich auf das Mittagessen ...

Kerner hat glaube gezeigt, dass empirische Methoden einiges klären können.

Wenn wir aber z.B. in der Kosmologie kein zweites Universum oder alternative Aussagen von Aliens heranziehen können, könnte es sein, dass wir bei der Modellbildung in unseren Vorstellungen von Ordnung gefangen sind. In der Quantenphysik (k.A. davon) haben wir mit diesen Schwierigkeiten unserer Vorstellung zu kämpfen und verlassen uns allein auf die Mathematik. Deren Gesetze sollten gelten.

Nichtsdestotrotz fehlt uns in der Mathemathik vielleicht auch ein Baustein ...

Wissenschaftliche Erkenntnisse streben nach Objektivität durch wiederholbare und überprüfbare Methoden, während subjektive Wahrheiten stark von individuellen Perspektiven und Erfahrungen abhängen. Absolute Sicherheit in der Wissenschaft ist selten, da sie immer offen für neue Beweise und Revisionen ist

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:19

Aber wie können wir dann sagen ob etwas subjektiv oder objektiv ist ?

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katrina049  20.05.2024, 11:21
@Marwin388

Der Unterschied beruht auf den Kriterien der Reproduzierbarkeit, Unabhängigkeit vom Beobachter, empirischen Überprüfbarkeit und Konsistenz. Subjektive Wahrheiten sind dagegen durch individuelle Wahrnehmung, Nicht-Reproduzierbarkeit, Beeinflussung durch Emotionen und Meinungen sowie Variabilität gekennzeichnet. Durch die Anwendung dieser Kriterien kann man feststellen, ob eine Aussage objektiv oder subjektiv ist.

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katrina049  20.05.2024, 11:21
@Marwin388

Objektive Wahrheiten erkennt man daran, dass sie reproduzierbar, unabhängig vom Beobachter, empirisch überprüfbar und konsistent sind. Subjektive Wahrheiten basieren dagegen auf individueller Wahrnehmung, sind nicht reproduzierbar, werden von Emotionen und Meinungen beeinflusst und sind variabel. So kannst du feststellen, ob eine Aussage objektiv oder subjektiv ist.

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katrina049  20.05.2024, 11:24
@Marwin388

Gern. Ich studier Philosophie/Wissenschaftstheorie, also kannst du mich bei weiteren Fragen gern anhauen.

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Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:24
@katrina049

ok. Danke für das Angebot. Ab heute werde ich das machen :)

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Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:30
@katrina049

Die Frage nach der Wahrheit ist kompliziert, aber ein faszinierendes Thema. Besonders interessant wird es, wenn man darüber in Bezug auf Selbsterkenntnis nachdenkt. Selbsterkenntnis sollte zwar immer objektiv sein aber es ist erstaunlich leicht, sich darin zu täuschen. Ich habe mich auch immer gefragt, warum sich die Liebe zu sich selbst anders anfühlt als die Liebe zu jemand anderem. und zu wissen dass man in der Lage ist die völlige Wahrheit zu sehen ist wichtig

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katrina049  20.05.2024, 11:32
@Marwin388

Die Liebe zu sich selbst und zu anderen kann unterschiedlich erlebt werden, wobei Selbstliebe oft von einem Bewusstsein der eigenen Unvollkommenheiten begleitet wird. Das Streben nach völliger Wahrheit, sowohl in der Wissenschaft als auch im persönlichen Leben, ist essenziell für authentisches Dasein und persönliches Wachstum. Es ist leicht, sich selbst zu täuschen :)

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Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:37
@katrina049
wobei Selbstliebe oft von einem Bewusstsein der eigenen Unvollkommenheiten begleitet wird.

Aber verhält sich das mir der Liebe zu einem anderen auch nicht so ? man kann nur dann Lieben wenn man die Person kennt..sowohl seine gute als auch seine negativen Eigenschaften...Nur dann ist es wahre Liebe. Ich bin der Meinung dass die beiden Arten der Liebe sich nur am Anfang unterscheiden...man verliebt sich nämlich nicht in sich und man hat keine Liebeskummer wenn man "stirbt" . Es kann aber auch sein dass ich nur wirres Zeug rede hahha.

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katrina049  20.05.2024, 11:38
@Marwin388

ne, du hast schon recht, dass echte Liebe sowohl zu sich selbst als auch zu anderen auf der Akzeptanz und dem Verständnis der gesamten Person basiert, inklusive ihrer Schwächen. Der Unterschied liegt hauptsächlich im Anfangsstadium und in der Art und Weise, wie sich diese Liebe entwickelt und manifestiert. Selbstliebe entwickelt sich durch Selbstakzeptanz und -verständnis, während die Liebe zu anderen oft mit Verliebtheit beginnt und sich zu etwas Tieferem und Umfassenderem entwickelt

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Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:43
@katrina049
Wir sind uns unbekannt, wir Erkennenden, wir selbst uns selbst: das hat seinen guten Grund. Wir haben nie nach uns gesucht, - wie sollte es geschehen, dass wir eines Tages uns fänden? Mit Recht hat man gesagt: 'Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz' - unser Schatz ist, wo die Bienenkörbe unseres Erkennens stehen. Wir sind immer auf dem Weg dorthin, als angeborene Bienensammler des Geistes. Und inmitten all dieses Gewimmels der Arbeit und Flinkheit für die ferne Zukunft sind wir uns als Erkennende selbst fremd.

Friedrich Nietzsche

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katrina049  20.05.2024, 11:44
@Marwin388

Schönes Zitat, welches uns daran erinnert, dass wahre Erkenntnis nicht nur darin besteht, die Außenwelt zu verstehen, sondern auch darin, uns selbst zu erforschen und zu erkennen

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Marwin388 
Fragesteller
 20.05.2024, 11:45
@katrina049

ja das stimmt und gerade deshalb finde ich das das Thema mega interessant.

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