Germanisch heidnische Dichtung?

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Von der germanisch-heidnischen Dichtung ist nur weniges erhalten; am wenigsten in Deutschland: In Island die Edda, eine Sammlung germanischer Heldenlieder; im angelsächsischen  Raum der Beowulf, ein Heldenepos, 
im altdeutschen Sprachraum (Fulda) das Hildebrandslied, das um 850 von
zwei Mönchen im Kloster Fulda auf die inneren Deckblätter eines Gebetsbuches abgeschrieben wurde und nur bruchstückhaft erhalten ist. Dann noch „Muspilli“, ein Heldenepos (bruchstückhaft) über den Weltenuntergang. Außerdem gibt es im altdeutschen Sprachraum noch die Merseburger Zaubersprüche, die aber keine Dichtung sind.

Beide, Hildebrandslied und Muspilli (Herkunft des Namens
unbekannt), sind im 19. Jahrhundert zufällig entdeckt worden.

Die von Karl dem Großen veranlasste Sammlung germanischer Heldenlieder ist von seinem Sohn Ludwig dem Frommen, der als „frommer“ Christ das Heidnisch-Germanische verabscheute, vernichtet worden.


OlliBjoern  25.05.2017, 22:04

Vielen Dank. Man könnte "Muspilli" mit Muspell in Verbindung setzen, dies war in der nordischen Mythologie ein Riese, der für das Feuer stand.

Muspellsheim (Land des Feuers) und Niblheim (Land von Nebel, Eis, Kälte) waren die Gegensätze in dieser Mythologie (und womöglich auch ein Sinnbild für Island, das ja Vulkane und auch Gletscher hat).

Bei Ragnarök tritt Muspell (oder Surtur) als Gegner der Götter auf, und setzt die Wald in Brand ("Götterdämmerung").

https://de.wikipedia.org/wiki/Muspell

Im "Muspilli" wird das Jüngste Gericht aus christlicher Sicht geschildert. Das ist insofern interessant, als dass man hierbei wahrscheinlich ein Wort aus der germanischen Mythologie für ein christliches Motiv genommen hat (in der Bibel ist von "Armageddon" die Rede). 

(Erinnert mich etwas an "Hölle"; auch dieses Wort geht auf ein germanisches zurück, in der Bibel ist u.a. von "Gehenna" die Rede)

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zwei Begriffe: googeln

Edda

Merseburger Zaubersprüche

Für einen Vortrag würde ich mich, da die Edda zu umfangreich ist, auf die Merseburger Zaubersprüche beschränken.

Teile des Nibelungenliedes, auch wenn erst spät im Hhen MA verfasst, spiegeln nordisch-germanische Sagenwelt wider. De rganze Komplex: Siegfried-Alberich-der Schatz der Nibelungen-Brunhilds Besiegung durch Siegfried: das sind heidnische Ursprünge.

Zu den deutschen Werken der "heidnischen" Dichtung hat Haldor ja schon einiges erzählt (Hildebrandslied, Muspilli...). Das Nibelungenlied enthält auch vorchristliche Elemente.

Es gibt (in altnordischer Sprache, heute auch in vielen Übersetzungen) die Lieder-Edda und die Edda von Snorri Sturluson.

In der Lieder-Edda (die ist gar nicht mal so klein, man kann da recht viel lesen) gibt es etliche Texte. In der "Völuspá" ist die Erschaffung der Welt aus nordgermanischer Sicht geschildert, die Erschaffung der ersten Menschen, aber auch die "Götterdämmerung" (Ragnarök), nach der es aber wieder eine neue Welt gibt.

Es gibt das "Hárbardslied", dort streiten Odin und Thor (verbal) gegeneinander. Dann ist "Grímismál" auch noch erwähnenswert, der (gefangene) Odin berichtet dort (einem Knaben) von der Welt. Dies sind alles Teile der Lieder-Edda (es gibt noch mehr Teile).

In der Edda von Snorri (der wurde in West-Island geboren im Mittelalter) gibt es Texte zur Dichtkunst (Skáldskaparmál), aber auch die recht bekannte "Gylfaginning" - Gylfis Täuschung - hier wird wiederum die nordgermanische Mythologie ausgebreitet (ähnlich wie der Lieder-Edda). Man spricht auch von der Prosa-Edda (die Lieder-Edda ist die "poetische" Edda, denn diese ist mit Vermaßen und Stabreimen gedichtet, Snorri schrieb in Prosa).

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Muspilli (in Altbayrisch geschrieben) ist noch recht interessant. Hier wird die christliche Thematik (das Jüngste Gericht) mit Motiven aus der germanischen Mythologie verknüpft (der Riese Muspell, der schon in der Edda auftritt; Midgard, welches in der Edda die Welt der Menschen ist).

Elias (der taucht in der Bibel auf) fällt im Kampf - dieses Motiv ähnelt (meiner Ansicht nach) dem Fall von Thor bei Ragnarök. Das Motiv mit dem Feuer taucht aber schon im Alten Testament auf (Feuer Jahwes gegen die Baalspriester, die Auffahrt von Elias in den Himmel in einem "feurigen Wagen").

Die Menschen damals kannten natürlich die Bibel (auch Snorri), aber sie kannten auch noch gut (besser als die meisten Leute heutzutage) die alten germanischen Mythen, und beides vermischte sich auf komplexe Weise.