Fühle mich unwohl in der konservativen Familie meines Partners?

9 Antworten

Du solltest versuchen, diese Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind. Dein geisteswissenschaftlicher Masterabschluss scheint Dir nicht viel zu bringen, wenn Du bereits an solchen relativ harmlosen Herausforderungen scheiterst. Du hast Dir Deinen Freund ausgesucht mit dem Wissen um seine Herkunft. Nun machst Du daraus ein Problem und möchtest, dass sich alle nach Deinen modernen, emanzipierten (nenne es wie Du willst) Vorstellungen zu richten haben, damit Du Dich dort wohlfühlst. Das wird nicht funktionieren. Traditionelle Bauern pflegen andere Werte und sind im Umgang miteinander nicht zimperlich, ja oft auch direkt grobschlächtig. Für sanfte Gemüter kann das schnell zur Provokation werden, genau das erlebst Du ja gerade. Du hast im Grunde nur die Wahl, Deine eigene Einstellung zu überdenken oder Dich komplett abzugrenzen. Du musst diese Leute nicht lieben, einfach nur akzeptieren. Oder eben nicht.

Viel Glück.

Von Experte rotesand bestätigt

Die haben ihre Meinung. Du und dein Freund eine andere. Völlig legitim.

Lass das ganze an dir abprallen und nimm es doch nicht so persönlich. Du hast einen Partner an deiner Seite, der deine Meinung und Vorstellungen vom Leben teilt .

Ich bin mir sicher, dass er bei den besuchen Zuhause auch nur da sitzt und seine Ohren auf Durchzug schaltet. Er kennt ja diese Ansichten und Aussagen zur genüge und irgendwann ist man es einfach leid, sich auf irgendwelche Diskussionen einzulassen.

Die besuche werden sich ja im Rahmen halten. Es erleichtert die Umstände ungemein, wenn man sich die ganze Szenerie als Kinoleinwand vorstellt, auf der sich ein großer Trashfilm zum besten gibt

Statt das alles an dich so nah ran zu lassen freu dich über deinen Partner, der diese Gene nicht in sich trägt und freu dich ebenso, dass ihr beide eine andere Sicht auf das Leben habt. Nämlich genau DIE, die ihr beide euch vorstellt


someuser1234 
Fragesteller
 04.06.2023, 13:02

Das mit dem Film ist eine gute Idee, danke für den Tipp!

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kugel  04.06.2023, 13:11
@someuser1234

Ich weiß sehr gut, wie du dich fühlst. Mit geht es mit weiten Teilen der Verwandtschaft meines Mannes genauso. Auch nach 25 Jahren Ehe.

Die Variante Trash-TV macht das Ganze erträglich ;-)

Oft hilft es auch, bei ganz viel dummgeschwätz mit der Hand den Schenkel meines Mannes zu kneifen, der meine Hand dann streichelt. Tut halt gut, wenn ich weiß, dass er so tickt und denkt wie ich und wir beide, unabhängig von den anderen eine andere aber gleiche Meinung wie man selbst hat.

Und genau darum geht es doch: mit wem DU dein Leben und deine Zukunft siehst ;-)

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rotesand  04.06.2023, 15:19
Es erleichtert die Umstände ungemein, wenn man sich die ganze Szenerie als Kinoleinwand vorstellt, auf der sich ein großer Trashfilm zum besten gibt

So sehe ich meine Heimat heute teilweise auch - als Realsatire mit Trash-Charakter, die das Zeug zur Verfilmung hat. Ich plane immer noch, ein Buch zu schreiben - nach dem Motto "Erlebtes und Erlittenes - stolz, KEIN Dorfkind zu sein" oder so was in der Art.

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kugel  04.06.2023, 15:24
@rotesand

Oder einfach: "Verwandtschaft, es gibt nichts, was es nicht gibt"

Jo. Könnten Bestseller werden...

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rotesand  04.06.2023, 15:27
@kugel

So irgendwie - ich habe schon handschriftlich ein paar Konzepte gemacht, teilweise basiert das auch auf Postings, die ich hier getätigt habe (man denkt sich diesen ganzen Nonsens ja nicht aus). Wenn ich mal ganz viel Zeit habe, wäre das ernsthaft ein Projekt - als Gegenstück zu einem Wälzer, den ich mal bei Hugendubel sah: "Stolz, Dorfkind zu sein" - ich habe mir die Mühe gemacht, im Ansichtsexemplar zu blättern und war entsetzt, weil es da eigentlich nur um Saufen, Schreien, Sex und ähnlichen Blödsinn ging. Das Buch hat mich ehrlich gesagt sehr peinlich berührt.

Ich muss aber auch sagen: Obwohl ich es immer ehrlich meinte, bis ich restlos bedient war, hieß es, ich sei so ein Akademikertrottel (das Wort fiel und das habe ich damals auch persönlich genommen, weil ich es beleidigend und entwürdigend fand ... ich dachte mir damals ----> ouh, okay, schön, dass ich jetzt weiß, was ihr von mir denkt, aber das merk' ich mir dann halt auch), der für die Halle und die Bauerei zu blöd sei.

Das Wort "Akademikertrottel" (der Ausdruck kam aber aus meiner früheren Nachbarschaft, die mir ein großer Hemmschuh war und mich an der Weiterentwicklung hinderte) habe ich persönlich genommen, weil ich es beleidigend und entwürdigend fand ... ich dachte mir damals ----> ouh, okay, schön, dass ich jetzt weiß, was ihr von mir denkt, aber das merk' ich mir dann halt auch... ich sei so einer, der für die Halle und die Bauerei zu blöd sei, aber im Gegenzug eine "völlig überbezahlte Stelle" ausübe. Ich denke, so was kann man wirklich als Beleidigung sehen, als die es gemeint war.

Diesem Milieu kann man kaum Herr werden, selbst wenn man es gut meint, ehrlich mit den Leuten umgeht, sich nicht verstellt und "von da ist". Letztlich ist das ein eigener Kulturkreis, in dem reaktionäre Werte mit jeder Generation weiter vererbt werden, oftmals katholisch gefrömmelt wird auf eine fast rosenkranzartige Weise und alle Freundlichkeit nur Fassade ist. Nur noch ein Beispiel: Ich kannte in meiner Heimat durchaus eine ganze Reihe von Frauen, die von sich (wahrheitsgemäß) sagen, ihr Mann schlage sie "eigentlich nicht" oder "nur selten" - und das auch nur wenn sie es "verdient" hätten, der Herrgott wird's schon richten und ein bisschen Sühne muss halt sein. Natürlich kriegen die Kiddies so was auch mit und behelfen sich dann genauso, wenn es um alles oder nichts geht: Ich nehme an, dass das heute noch so ist und traue es meinen ehemaligen männlichen Mitschülern zu, dass sie es heute mit ihren Frauen genauso machen wie die Väter vor 20-30 Jahren bei den Müttern.

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Lass deinen Freund alleine zu seinen Eltern fahren, wenn eure Beziehung das aushält.

Sich abgrenzen / Grenzen ziehen....wenn es etwas nicht gut tut,

heißt nicht, sich komplett zu distanzieren....aber

Es liegt bei dir, wie DU damit umgehst und OB dich diese Erwartungen seiner Eltern aus der Bahn werfen und dein Gefühlsleben negativ beeinflussen.

Lass es nicht zu. Mach oder Macht euer eigenes Ding. Klare Ansage geben.

Das ist ja genau das Milieu, in dem ich aufgewachsen bin, wo ich aus Prinzip als Akademikertrottel (das Wort ist gefallen!) galt, der zu fein und zu doof für die Landwirtschaft sei, es aber immerhin auf einen derart überbezahlten Posten als "Koofmich" geschafft hat, dass er sich einen Siebener-BMW kaufen konnte. Es war demütigend, zermürbend, aussichtslos und ich habe letztlich meine Heimat mit 29 Jahren verlassen, weil ich es menschlich nicht mehr ausgehalten habe.

 Sie sind aber der Meinung, dass psychische Krankheiten eh nicht existieren und man sich nur zusammenreissen muss.

Auch das war da so der Tenor, wenn es nicht hieß, psychisch Erkrankte seien Arbeitsverweigerer oder geisteskrank und potenziell gefährlich. Man kann es eigentlich nicht für möglich halten. Allgemein waren die Leute voller Vorurteile und Ressentiments, spielten diese auch gern zum Negativen anderer Menschen aus - auf dem Land lernt man erst richtig, wie die Demontage eines Menschen funktioniert: was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht und alles, was er nicht kennt ist schlecht einzig deswegen, weil er es nicht kennt, egal ob es Speisen und Getränke sind oder eine Stadt ist oder ein Land - oder ein Mensch.

weil sein Vater mir ggü. öfters abwertende Kommentare über Menschen mit Studienabschluss gemacht hat etc. Er interessiert sich auch gar nicht für seinen Sohn, er schreibt sogar seinen Namen falsch.

Ganz hart formuliert: Wenn dein Partner das nicht von sich aus anspricht und einfach so erduldet, ist er vielleicht nicht der Richtige für dich, denn eigentlich sollte man so was nicht unkommentiert lassen. Ich habe bei meiner früheren Freundin auch immer wieder Partei ergriffen, wenn jemand über sie geschimpft hat oder meinte, sie dumm dastehen lassen zu müssen. So macht man es normalerweise auch - selbst bei dominanten Eltern.

 Gefühlt muss ich mich jedes Mal total verstellen, einfach weil wir komplett unterschiedliche Ansichten haben. Anschliessend bin ich komplett ausgelaugt.

Glaube ich - so ging es mir auch jedes Mal und ich habe mich hinterher jedes Mal gehasst und wusste nicht, was als Nächstes kommt. Es war kräftezehrend und man wusste doch immer, es hat nichts gebracht und egal, was man macht ist es doch falsch.

Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn ihr weit weg zieht bzw. aus deren Schusslinie damit der Einwand "auf dem Hof helfen" nicht mehr gültig ist, euer Leben lebt oder euch trennt, wenn er nicht dazu bereit ist, sich von dem Einfluss der Familie zu lösen. Irgendwo in der Mitte liegt die beste Lösung, aber das müsst ihr entscheiden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

someuser1234 
Fragesteller
 04.06.2023, 12:58

Ich bin froh zu lesen, dass es anderen auch so geht. Danke, dass du deine Erfahrung mit mir teilst. Vermutlich wird es tatsächlich auf darauf hinauslaufen, dass wir weiter weg ziehen. Mit ein paar Kommentaren ab und zu kann ich leben, aber regelmässig mag ich mir das nicht antun.

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rotesand  04.06.2023, 15:22
@someuser1234

Es wird am besten so sein - wenn er aber nicht dazu bereit ist bzw. die Familie über dich stellt, würde ich die Trennung ansetzen, weil es sonst ewig so weiter gehen wird und immer wieder das Gleiche für Unbehagen sorgen wird. Dann hinterfragt man sich selber und gerät in eine Art Hamsterrad - und eines Tages findet man sich beim Psychologen wieder, obwohl man da nicht hingehört.

Mit ein paar Kommentaren ab und zu kann ich leben, aber regelmässig mag ich mir das nicht antun.

Bei mir war es genauso: Wenn so was gelegentlich kommt, steht man drüber, aber wenn es dauernd kommt und man unterschwellig immer merkt, dass man einerseits beneidet und andererseits für dumm gehalten wird, ist das nicht schön und hinterlässt sehr schale Gefühle, die man sich eines Tages nicht mehr "geben" will. Ich habe eigentlich ein robustes Selbstwertgefühl, aber das war zu viel.

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Du kennst ja sicherlich eine der menschlichen Grundregeln: Umgib dich nicht mit Menschen, die dir nicht gut tun. Die Eltern deines Freundes scheinen ja zu dieser Gruppe von Menschen zu gehören, bei denen du dich unwohl fühlst. Also umgib dich nicht mit ihnen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Und was seine Eltern für Erwartungen an euch haben, sollte für euch keine Rolle spielen. Ihr habt euch für einan anderen Lebensweg entschieden - und mit dem müsst ihr glücklich werden. Darauf kommt es an, nicht darauf, Erwartungen von Dritten zu erfüllen.