Warum bildest Du Dir keine eigenen Meinungen?

11 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich habe eigene Meinungen, aber in meiner Heimat war es verpönt, eigene Meinungen zu haben. Es wurde den Kiddies von Stund' an injiziert ------> bloß nicht auffallen, ja nicht hervorstechen, immer schön geduckt und demütig sein; immer dankbar sein für das Leben bzw. dafür, dass man überhaupt existieren DARF/die Gnade genießt auf der Welt weilen zu dürfen und sich ja nicht auf die Schulter klopfen. Wobei ich fairerweise sagen muss -----> ich hatte es noch relativ gut, andere in meinem Jahrgang wurden weitaus pedantischer auf Gefälligkeit und einen dezenten Auftritt hin erzogen und haben es nie so ganz gepackt, wie ich letztes Jahr am Klassentreffen gesehen habe. Manche sind als Erwachsene total unterwürfig und haben kein Profil, keine eigene Meinung und keine Ziele - das ist der Spiegel ihrer Vergangenheit.

Ich habe es eigentlich auch nur dank meiner Arbeit, in der ich so gut bin, dass ich es mir eines Tages einfach eingestehen MUSSTE, und meiner früheren Freundin geschafft, die mir gut beigestanden ist. Man kann ihr einiges nachsagen, aber in dem Punkt hat sie mich massiv vorwärts gebracht, auch was eine Styleveränderung angeht hin zu Kleidung, in der ich mich mag und in der ich mich wohl fühle :-)

Meine Heimat (warum bin ich da nur weg?!) war aber auch graues Vorstadtmilieu und ist heute noch genauso schlimm; da wurden und werden Talente nicht gefördert, sondern unterdrückt, weil sich die Eltern für den "nicht geduckten" Nachwuchs schämen und nicht wollen, dass man über sie redet, weil man auffällt oder der Filius auffällt. Einer aus meiner Stufe etwa konnte gut singen und musizieren und kam unheimlich gut bei den Leuten an, das war so ein richtig lieber Sonnyboy; der wurde leider von seinem Vater, der sich seinetwegen schämte aber solange verdroschen, bis er damit aufgehört hat und mit Tabletten von Schlecker "behandelt", damit er endlich im Sinne aller "geduckt und ruhig" war. Ich erinnere mich gut; der hat dadurch sicher einen Schaden erlitten, weil er als Jugendlicher wie ausgewechselt war und ein Typ, vor dem ich Angst hatte - er war unberechenbar, gewalttätig, aggressiv, laut, ärgerte Mädchen und schikanierte Kleinere - der fiel auf und war nicht mehr der nette lustige Musikus und Scherzbold, sondern ein Ekelpaket. Als kleiner Musikant war er beliebt, als "Behandelter" weithin gefürchtet - als Erwachsener habe ich ihn dann einige Male unfreiwillig auch noch erlebt und war einfach nur entsetzt. Diese Tabletten von Schlecker bekam er wohlweislich deswegen, weil der Hausarzt alles grinsend am Stammtisch rumerzählt hätte und die Eltern das vermeiden wollten - deswegen haben andere Leute den auch am Ende angeklagt.

Einerseits erwarteten die Leute Geselligkeit nach außen hin, andererseits galt als unseriös, wer sich mit den Leuten "gut verstand", wer "zu nett war", wer hier und da "tratschte", wobei das grad diejenigen meinten, die am infamsten die Gerüchteküche anheizten und ohne Beweise z.B. sagten, die Frau Kuhn ist tot, obwohl es gar nicht gestimmt hat (ist so passiert). Es war grotesk.

Wäre ich als Kind oder Jugendlicher ein "Lustiger" gewesen oder hätte ich den Wunsch gehabt, irgendwo in einem Ensemble oder Chor oder Musikverein zu singen oder zu musizieren (es war schon fast ein Drama, als ich im Schulchor beim Weihnachtsgottesdienst als Jugendlicher mal ein Solo singen musste; ein schönes Spiritual, und ich hinterher von einer Lehrerin ein sicher ehrlich gemeintes Lob für die "tolle Tenorstimme" bekam), wäre es mir trotz einer positiven Familie genauso gegangen oder hätte man mich sofort in die Schranken verwiesen und mir gesagt - so geht's nicht, bleib am Teppich, das ist Mist.

Ich war vom Charakter her schon immer der nette volkstümliche Typ, der gern redet und zuhört; in Zeugnissen der Grundschule klingt das auch heute durch (z.B. "freundschaftlicher Umgang mit Mitschülern, höflich und anteilnehmend auch gegenüber Lehrern"), aber es wurde spätestens in der Realschule (Grundschule war gut) ganz einfach unterdrückt und richtig lebte ich erst auf, als ich meine Heimat verlassen habe.

Ich würde mich heute als relativ selbstbewusst und zufrieden bezeichnen - ich weiß, dass ich beruflich sehr gut bin, dass ich privat eine geschätzte Instanz bin und ein wohlgelittener, seriöser Mensch - das ist kein Grund zum "Abheben", aber ein weiter Schritt gegenüber früher. Ich werde auch nachhaltig so wahrgenommen - es gibt immer wieder Komplimente und Lob von Leuten, die es ehrlich meinen (das merke ich, weil sie von einem Lob keinen Vorteil hätten und mich dennoch loben oder mir ein Kompliment machen) und da ist auch schon von einem auf angenehme Weise ruhig-selbstbewusst-herzlichen Auftritt die Rede gewesen.

Ich mag es gern gemütlich und gesellig; jeder, der es gut meint ist willkommen und ich schicke auch keinen weg. Ich kann ziemlich laut sein, wenn ich gute Bekannte treffe und mich freue - dann ruft man schon im Kaufland von weitem mit fröhlich ausgestreckter Hand "grüß dich, Kurti!" und geht aufeinander zu. Das setzt sich auf dem Parkplatz fort, wo man den Albert sieht, ganz locker mal eben das Fenster runterkurbelt und ihn laut und freundlich begrüßt - er macht es ja genauso. Wir sind halt so.

Es war erst vor wenigen Jahren, als ich mich erstmals selbst als attraktiv und sympathisch und als guten Menschen wahrnahm - und selbst da habe ich mich anfangs gefragt, ob das "rechtens" ist. Inzwischen weiß ich, ja, es ist "rechtens" und es ist richtig so - vor allem, wenn es einen Grund dafür gibt.

Zusammenfassend sage ich es mal so, weil ich das Elend kenne und in dem Umfeld meiner Heimat viel solchen Mist erlebt habe: Viele Menschen sind von Natur aus durchaus selbstbewusst und positiv, voller Elan, voller Energie und zupackender Kraft, aber sie werden durch ihr Umfeld einfach unterdrückt und fügen sich, weil sie Angst vor Konsequenzen haben (ob angedroht oder nicht) und es gelernt haben,d ass immer andere für sie entscheiden und bestimmt Recht haben - und das ist total schade.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

AriZona04 
Fragesteller
 12.05.2024, 02:57

Oh mein Gott!! 👍 (und ich habe nicht mal einen! 😁 ) 😍 Was für eine Antwort. 😇 Was für ein wertvoller Beitrag! 🫶 🙏 Du sprichst mir aus dem Herzen! ❤️ Ich lese Dich eh immer sehr gern!

Sag mal, haben wir in derselben Gegend gewohnt?? Es ist superwichtig, was die Nachbarn denken - könnten? Pillen von Schlecker - haben den Vogel abgeschossen. Ich steh neben mir! Es gibt wahrlich Eltern, die grausam sind!!

Kurti - mich hättest Du in die Ecke stellen können; stundenlang. Ich hätte nichts gesagt und mich nicht gewehrt. Auch ohne Pillen.

Der Zufall (gibt es welche?) wollte es, dass ich Übungsleiterin für Kinderturnen werde. Ich habe das hier bereits ein paar Mal erwähnt. 20 Jahre war ich aktiv. In dieser Zeit wurde ich selbstbewusst: Ich habe soo dermaßen viele Menschen kennen lernen dürfen. Oberflächlich - zugegeben. Aber dennoch: Die verschiedensten Charaktere, die man sich nur vorstellen kann. Diese Menschen hatten jedoch eines gemeinsam: Mich in den Himmel zu heben. So durfte ich an meiner Aufgabe wachsen - ich denke: Ähnlich wie es Dir erging: Wir wissen, was wir können. Ich bin nicht mal sportlich! Aber ich kann mit Menschen umgehen. Und durch diese Menschen habe ich mir meine Meinungen gebildet. Und vertrete diese auch. Diese Menschen haben mich viel gelehrt. Dafür bin ich dankbar.

Und ich bin dankbar für Menschen wie Dich, die hier im Forum sind! Bleib wie Du bist!

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rotesand  12.05.2024, 13:49
@AriZona04

Herzlichen Dank!

Ich weiß heute, was ich kann - durch meine Arbeit, aber ganz ehrlich (so viel Ehre muss sein) auch durch meine frühere Freundin. Leider hat es die Zeit nicht gut mit uns gemeint bzw. hat jeder einfach seinen Ballast aus der Vergangenheit mit sich herum geschleppt und irgendwann vermischte sich das zu einem "Szenario", das einfach nicht mehr tragbar war. Sie hat mir aber sehr geholfen und ich hoffe, sie weiß das, wo sie auch grad immer ist.

Pillen von Schlecker - haben den Vogel abgeschossen. Ich steh neben mir! Es gibt wahrlich Eltern, die grausam sind!!

Das haben die ja auch noch überall rumerzählt, um sich zu rechtfertigen gegenüber anderen Eltern, die den kleinen Musikanten für ordinär und aufdringlich hielten bzw. wo man meinte, dass dem so sei (ich glaube, ganz so schlimm war es nie). Die riefen damals auch bei uns daheim an (obwohl der Junge bei uns daheim angesehen war, weil er immer so sonnig und heiter und hilfsbereit war und gut singen konnte) - ich höre das heute vor mir durch die Muschel unseres alten Bundespost-Apparats (hellbeige; mit Wählscheibe): "Ja, wir machen was", sagte die Mutter verschämt und sprach von "Tabletten, die es bei Schlecker gibt und die er seit ein paar Tagen einnimmt".

Problematisch waren an diesem Milieu und vor allem an der Realschule auch Kinder aus Familien, die nicht in die Vereine gingen. Wir hatten z.B. einen Mitschüler in der Klasse, der einer völlig unauffälligen Familie angehörte; es waren nette Leute, Vater Kaufmann, Mutter Hausfrau, er hatte einen jüngeren Bruder. Die hatten ein Eigenheim in einer schönen Straße, der Vater hatte einen 3er-BMW (der damals aktuelle, ich glaube das Modell "E36" war das damals, in diesem Granitsilber - das war schon was, wenn eine Familie so einen BMW fuhr - der Vater war irgendein höherer Kaufmann in einer Firma), es waren keine armen Leute, schöner Garten, Familienkatze, Tischtennisplatte. Ich war gelegentlich zu Besuch, es waren wirklich sympathische, schlichte Leute. Es waren keine Zugezogenen, durchaus betuchte Leute, aber die gingen halt nicht in die Vereine, waren nicht in der kath. Kirche engagiert, die Mutter war nicht ehrenamtlich sonntags beim Büchereidienst oder bei irgendeinem Kuchenverkauf, der Vater ging nicht zum Stammtisch; die saßen nicht auf jedem Fest rum und lebten einfach nur "für sich so'n bisschen". Man sah die im Aldi oder sonst wo, es waren freundliche Leute und der Vater war so ein Kleiner mit Halbglatze, der oft einen Anzug trug und immer gelacht hat - aber einige mobbten den Jungen und auch der Konrektor, der Abteilungsleiter und Funktionär im Sportverein war, legte dem Jungen Steine in den Weg, weil er ein wenig "zu lustig" bzw. "nicht so geduckt" war und den Unterricht manchmal durch humorvolle Kommentare auflockerte. Seinen eigenen Lieblingen aus dem Sportverein hat er sogar sexuelle Übergriffe auf DDR-Aussiedlermädchen mit den Worten "das schert doch keinen" (!) verziehen, mein Mitschüler bekam ernsthaft Ärger wegen gelegentlicher Kommentare und einmal sagte der Konrektor ganz süffisant - ich hätt's wohl nicht hören sollen, war aber zufällig hinter der Plakatwand gestanden, das war damals so eine Ausstellung vom Weißen Ring in der Aula - zu einem Kollegen "...jaaaa... die Familie ... die gehen ja auch nicht in die Vereine ... die wollen ja auch nichts mit der Gesellschaft zu tun haben ... die sind etwas komisch, die passen nicht hierher, den Kleinen kriegen wir auch weg...". Was der Konrektor mit dem gemacht hat, war eigentlich Mobbing. Am Ende hat der Junge mit uns Mittlere Reife gemacht und war einer der Besten - der Konrektor dürfte richtig dumm geguckt haben. Ich weiß, dass sich unser Englischlehrer damals sehr für den Jungen eingesetzt hatte und deswegen mit dem Konrektor sogar fast Ärger bekam.

Mittlerweile habe ich beschlossen, ein Buch über diese und ähnliche Ereignisse zu schreiben; Pinselstriche gibt es bereits. Es wäre halt für jeden ersichtlich, der da noch wohnt, um was und um wen es geht; ich würde die zu gern alle sehen, wie sie mein (hypothetisches) Buch lesen, sich darin wieder erkennen, anschließend mit dieser rosenkranzartigen "ich weiß ja net"-Mentalität daheim beim Abendbrot unter den betenden Dürer-Händen an der Wand drüber debattieren, voreilige Schlüsse ziehen wie immer und die Sachen nicht zuende denken, sie nur nach eigenem Gutdünken bewerten wie es ihnen selber passt, anschließend schön hinterrücks aufeinander losgehen, aber so freundlich und christlich tun - und jeder alles leugnet und sich alle gegenseitig widersprechen.

Das waren übrigens Sachen, die sich in meiner Heimat nicht nach dem Krieg oder im prüden Wirtschaftswunder, sondern den 90ern und frühen 2000ern abgespielt haben, wo man teilweise schon mit dem Euro bezahlt hat, was sie noch schlimmer werden lassen... auch diese Schlecker-Episode datiert auf etwa 2002. Ich kann Etliche solcher Erlebnisse aufzeigen.

Danke für den Austausch, der ganz auf meiner Seite ist! Ich wünsche dir einen schönen Sonntag.

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rotesand  12.05.2024, 21:32
@rotesand

Danke für den Stern!

Bei solchen Fragen und meinem Buchprojekt geht es mir um ein Motto - einfach mal alles aufschreiben, was ich so erlebt habe. Vielleicht ist es ein innerer Reifeprozess - oder eine Verarbeitung.

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Ich hab immer meine eigene Meinung vertreten, obwohl es eigentlich auch nicht immer gut ist. Man soll auch die Meinung von anderen bedenken/beachten.

Dass die Menschen plappern, hat nichts aus meiner Sicht damit zu tun, dass Menschen keine eigene Meinung haben, oder dass sie kein/wenig Selbstbewusstseins haben.


AriZona04 
Fragesteller
 12.05.2024, 02:40

Man sollte sich auf jeden Fall anhören, was andere zu sagen haben - wie sie denken. Sie könnten Recht haben. Richtig. - Aber sie müssen nicht automatisch Recht haben! Wenn ich die besseren Argumente habe, dann ist meine Meinung mehr wert.

Die eigene Meinung hat viel mit Selbstbewusstsein zu tun. Wer schafft es schon, seinen Standpunkt ernsthaft zu vertreten? Wer traut sich, gegenan zu gehen - und zwar bei jedem Menschen, egal ob Eltern, Lehrer, Politiker! - Du?

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NEUTaha  12.05.2024, 09:20
@AriZona04

Bei meinen Eltern und Lehrern hab ich oft meine eigene Meinung vertreten, deshalb hab ich auch öfter Probleme mit denen gehabt. Generell wird es nicht so gern und schön gesehen, wenn man immer seine eigene Meinung ernsthaft vertritt. (Aus eigener Erfahrung) in Bezug auf Politik ziehe ich mich immer zur Seite!

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AriZona04 
Fragesteller
 12.05.2024, 09:28
@NEUTaha

Zieh Dich Niemals zur Seite! Denn Du bist ja auch was wert! Du bist die Hauptperson in Deinem Leben. Du darfst nicht nur Deine eigenen Meinungen haben - so SOLLTEST sie unbedingt haben! Das macht Dich aus. Das bist Du.

Jaha - das mögen andere anders sehen. Klar kann es sein, dass andere Dich dann nicht mögen. Na und? Auf die kannst Du - auf Deutsch gesagt - scheißen. Du bist nicht weniger wert als die! Deine Meinung ist Gold wert. Also kannst Du sie auch andere wissen lassen. Unbedingt! Wer Dich dann noch mag, ist Dein Freund. Und das werden viele sein - die Du heute noch gar nichts kennst. Lerne Menschen kennen.

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guitschee  12.05.2024, 10:16
Ich hab immer meine eigene Meinung vertreten, obwohl es eigentlich auch nicht immer gut ist. Man soll auch die Meinung von anderen bedenken/beachten.

Man kann beides tun. Die eigene Meinung muss ja auch nicht starr sein, wenn der anderen guten Input hat. Das passiert automatisch, wenn man ergebnisoffen (innerlich vor allem), mit anderen redet. Man stellt die eigene Meinung vor, der andere tut es mit seiner und schwupps...

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Ich habe eine eigene Meinung, aber ich vertrete sie nicht in der Öffentlichkeit, weil mein Selbstbewusstsein nicht gut genug dafür ist.

Hier auf Gutefrage kann man sein wer man ist, man kann seine Meinung frei sagen, ohne dass sich das irgendwie schlecht auf das Leben auswirkt ^^

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Habe viele Erfahrungen gemacht und lerne immer neues

AriZona04 
Fragesteller
 12.05.2024, 09:24

Richtig: Die eigene Meinung zu vertreten, braucht Selbstbewusstsein. Aber diese bekommt man auch, wenn man zu seiner Meinung steht: Das sind meine Argumente, warum ich so denke. Hast Du Argumente dagegen - dann leg los! Lass uns diskutieren und mal sehen, ob Du mich überzeugen kannst. Nein - ich häng mein Fähnchen nicht nach dem Wind. Ich weiß ja, was ich will und was ich nicht will.

Sprich mit Leuten! Steh zu Dir! Zeig Dich und Deinen Meinungen! Sie sind ja nicht verkehrt: Du weißt ja, was Du denkst und fühlst! Trau Dich!

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guitschee  12.05.2024, 10:18
Ich habe eine eigene Meinung, aber ich vertrete sie nicht in der Öffentlichkeit, weil mein Selbstbewusstsein nicht gut genug dafür ist.

Das ist blöd. Was fürchtest du denn? Oder warum ist das so?

Du hast doch, gehe ich mal von aus, über deine Meinung ja auch nachgedacht, dich selber und die Meinung bereits reflektiert (du klingst mir so, als würdest du es tun), was also fehlt, dass du dich getraust, sie auch zu sagen? Oder willst du das auch gar nicht? Falls nein, warum nicht?

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Warum habt Ihr keine eigenen Meinungen?

Lach, ich denke, du verstehst, warum ich das nicht beantworte. :-D

Ich möchte aber einen anderen Aspekt deines Textes aufgreifen: Ich denke, dass Schüchternheit zwar durchaus dazu führen wird, dass die eigene Meinung nicht vertreten oder genannt wird, aber eher weniger dazu, keine zu haben. Ich denke, gerade viele schüchterne Menschen haben vielleicht eigene Meinungen, während laute, mich naaaaatürlich ausgeschlossen :-D, eher mal zum nachplappern neigen.

Sich eine eigene Meinung zu bilden ist manchmal auch anstrengend, man muss drüber nachdenken, man muss reflektieren, im sinnvollen Fall sich darüber informieren. Das ist es vielen Menschen manchmal einfach nicht wert. Manche können es vielleicht auch wirklich nicht. Es gibt zudem 70.000.000 Themen auf der Welt, zu denen man Meinungen haben könnte - und 69.999.000 interessieren einen davon auch eher nicht. Warum sich da die Mühe machen eine Meinung zu entwicklen....

Ich denke auch, das teilweise zu viel Meinung umherschwirrt. Zu viel Meinung, zu wenig Wissen. Meinungen, die verurteilen. Meinungen, die verbieten wollen. Klar, solche Meinungen sind oft nachgeplappert, aber nicht nur. Da wäre es mir deutlich lieber, wenn es einfach weniger Meinungen gäbe. Denn wenn man keine Ahnung von einem Thema hat, ist es vielleicht besser, eben genau keine Meinung zu haben. (Nehmen wir nur mal all die Meinungen über Homosexualität und dessen vorgebliche Schlechtigkeit, als Beispiel ...).

Und jetzt werde ich meinem Wort mal wieder untreu und beantworte doch deine Frage, weil mir ein Beispiel eingefallen ist :-D.

Thema: Klimawandel. Das Thema ist auf der Wissensebene sehr komplex. Um eine sinnvolle, nicht nachgeplapperte, Meinung dazu zu haben, muss man viele Stunden aufwenden, um sich darüber zu informieren. Ich habe diese Informationen, die ich bräuchte dafür, nicht. Dieses Thema ist mir aber dafür zum Beispiel schlicht nicht spannend genug. Es ist einfach nicht mein Thema. Dürfen sich gerne andere mit beschäftigen, darum habe ich dazu einfach keine eigene Meinung.

Deswegen, deinen Appell an die Eltern unterschreibe ich so halb. Es würde Kinder überfordern können. Die überfordert teilweise schon die Frage: willst du Wurst oder Käse - man muss dann fragen: willst du wurst? und je nach Antwort: "willst du käse"? - selbst die Wahl zwischen zwei Sachen überfordert da, wie sollen sie dann beantworten was sie wollen, wenn man keinerlei Vorgabe gibt? Ich denke, ein anderer Weg ist da sinnvoller, nämlich dazu animieren (und auf keinen Fall unterdrücken, wie es viele tun) Fragen zu stellen. Viele Fragen. Mit dem Kind zusammen dann über die Fragen und Antworten nachdenken. (Ja, Eltern hassen Kinderfragen teilweise, teilweise zurecht, aber die sind wichtig!) Dadurch bringt man den Kindern bei, sich selber Wissen anzueignen und auch das Interesse daran zu haben und dann auch, darüber selber auch nachzudenken (also nicht nur zu konsumieren, sondern auch zu reflektieren) und das wird automatisch dazu führen, dass sie später eigene Meinungen bilden.

Um noch mal zum anderen Punkt zu kommen: manchmal ist, meiner Ansicht nach, eine Meinung die man nicht hat, sinnvoller und wertvoller, als eine, von der man denkt, dass man sie hat, oder eine, die man wirklich hat, die aber kein Fundament besitzt.

Man muss keine Meinung haben.

Disclaimer: Nein, ich denke nicht, dass wir eine Dikatatur haben und staatlich herrscht hier weitestgehend eine Meinungsfreiht - und da wo die "Meinung" eingeschränkt ist, gibt es Gründe dafür....

Aber, um noch mal ein gesellschaftliches Thema reinzubringen: Meinungen werden manchmal auch unterdrückt. Es ist für eine gesellschaft sehr unbequem, wenn es zu viele mit einer abweichenden Meinung gibt. Zwingt die Gesellschaft, sich damit dann auseinander zu setzen. Ich selber bin in der Schule mehr als einmal angeeckt, weil ich mich da eher nicht unterdrücken lasse, sondern auf Angriff gehe - viele haben davor vielleicht auch Angst, sind aber vor allem wohl eines: bequem. Es ist bequemer der Gesellschaft bequem zu sein. Es ist bequemer für die Gesellschaft, wenn man die "gleiche Meinung" hat. Auch da ein Beispiel:

Pädophile sollten mit dem gleichen Respekt behandelt werden, den andere Menschen auch verdienen.

Eine Meinung, die gesellschaft nicht unbedingt geteilt wird, die, gerade in diskussionen, wo man das Warum näher besprechen kann, aber dazu führen müsste, bei den meisten, die wirklich versuchen, da eine Meinung auf Grundlagen zu haben, sich und die eigene Meinung zu hinterfragen. Das wollen die Leute nicht. Also versuchen sie diese Meinungsäußerung zu unterdrücken. In dem Fall meistens mit der einfachsten Keule, die ihnen einfällt, nämlich dem Vorwurf, derjenige, der das sage müsse pädophil sein, und darum ist das, was er sage, nicht ernstzunehmen oder abzulehnen. (Was natürlich auf mehreren Ebenen falsch ist ...). Um aber da auf den Punkt zu kommen. Man sieht bereits im Elternhaus vielleicht, auf jeden Fall in der Schule wie sowas passiert, wie Meinugen von dem "Mainstream" da "unterdrückt" werden. Es macht einem vielleicht Angst und man merkt: oh, das kann echt fies enden, bis hin zum gesellschaftlichen Ausschluss. Und denkt dann vielleicht: passe ich mich und meine Meinung besser mal an.

Man wird also teilweise auch darauf konditioniert keine (allzu) abweichenden Meinungen zu haben.

So, mal sehen, ob ich gleich noch fünf ergänzende Gedanken zum Thema ausplappere (aus-, nicht nach-) - denn wie man vielleicht merkt. Dieses Thema gehört bei mir zu den 1000 über die ich gerne nachdenke und nicht zu den anderen 69.999.000 :-D.


AriZona04 
Fragesteller
 12.05.2024, 09:42

Danke, guitschee. Ich liebe es, auch von Leuten Antworten zu bekommen, die sich definitiv eigene Meinungen bilden!! Ich schätze Deine Antworten sehr - wie Du vielleicht weißt.

Ja - für die eigene Meinung braucht man zuweilen Wissen. Das ist eine Tatsache. Ob ich Nebel mag oder nicht - dafür braucht es eher Gefühl und nicht so viel Wissen. Also können auch schon kleine Kinder ihre eigene Meinung haben! Und ich bleibe dabei: Diese Meinung ist absolut wichtig, um einem Kind ein Gefühl von Sicherheit zu geben.

Deine Aussage, dass zuweilen zu viel Meinung umherschwirrt, ist dann zutreffend, wenn es sich um einen Kapitän und seine Mannschaft handelt. Da lass ich Diktatur zu - denn ohne geht es nicht. Da muss keiner diskutieren, wenn es irgendwo brennt. Ansonsten kann, darf und sollte jeder immer wissen, was er/sie sagt, denkt und fühlt.

Sicherlich habe auch ich nicht zu jedem der 70tausend Themen eine eigene Meinung! Kann ich gar nicht. Gebe ich zu. Das wäre wohl übermenschlich. Und ist auch nicht nötig. Auch ich darf zuweilen sagen "das interessiert mich nicht - darüber habe ich nicht genügend Informationen". Aber allein diese Aussage erfordert schon viel Mut. Diesen bekomme ich nur, wenn ich bei anderen Themen mitreden und meine Meinung verteidigen kann - wenn ich selbstbewusst bin.

Wenn ein Kind bei der Frage ob Wurst oder Käse überfordert ist, dann ist da arg was im Argen. Dem sollte auf den Grund gegangen werden. Denn um Entscheidungen zu treffen, bedarf es der eigenen Meinung: Mag ich lieber Wurst oder Käse - und wenn ja: Warum? Schnell die eigene Entscheidung zu treffen, ist dann das Thema meiner nächsten Frage!

Ich danke Dir sehr für Deine Antwort!

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guitschee  12.05.2024, 10:03
@AriZona04
Ich liebe es, auch von Leuten Antworten zu bekommen, die sich definitiv eigene Meinungen bilden!!

Wsssas woooo? Sowas gibt es hier nicht :-D.

Danke, und ich denke du weißt, dass ich das zurückgeben kann - auch wenn ich natürlich nicht allen folge, auch ich schätze deine Antworten immer wieder sehr - vor allem auch deine Kontra-Antworten :-D. Was der Grund ist, warum du so eine lange Antwort von mir bekommen hast :-D.

dafür braucht es eher Gefühl und nicht so viel Wissen.

Guter Einwand. Muss ich drüber nachdenken. Ich weiß nämlich nicht, ob ich das als Meinung einordnen würde. Ich denke, das ist eher Vorliebe. Ich würde persönliche Vorlieben trennen von persönlichen Meinungen - zumal gerade ich weiß, dass persönliche Vorliebe und persönliche Meinung durchaus unterschiedlich sein können. Auch da ein Beispiel aus meiner Lebenswelt.

Ich bin einer pazifistischen Meinung. Meiner Ansicht nach, wäre Pazifismus und friedliches Miteinander das beste was passieren könnte - und natürlich kann ich das auch begründen, genau wie ich auch begründen kann, warum es utopisch ist, aber: trotzdem habe ich eine Vorliebe für fiktionale Kriege, Morde, Assassinen und ähnliches. Da weicht also ob ich Nebel gutfinde stark davon ab, ob ich finde, dass Nebel gut ist....

Aber ich denke, da kämen wir eben auf eine sehr theoretische Ebene, die nach eigenen Definitionen und allgemein gültigen Definitionen fragt :-D.

Diese Meinung ist absolut wichtig, um einem Kind ein Gefühl von Sicherheit zu geben.

Da stimme ich dir aber definitiv zu. Das Wissen um eigene Vorlieben und das Wissen darum, diese auch kommunizieren zu dürfen bis zu sollen ist wichtig. Dann lernt man Selbstbewusstsein, dann lernt man vermutlich auch, zu sagen, wenn die Meinung abweichend ist.

Deine Aussage, dass zuweilen zu viel Meinung umherschwirrt, ist dann zutreffend, wenn es sich um einen Kapitän und seine Mannschaft handelt.

Interessanter Aspekt, den ich später sicher noch mal aufgreife, aber ich meinte den Punkt in erster Linie anders.

"Homosexualität ist widernatürlich" - ist eine Meinung. Aber meiner Ansicht nach, eine zuviel. Denn wissenschaftlich ist die halt innerhalb von Sekunden zu widerlegen - da ist also zuviel Meinung und zu wenig Wissen...

So, zum Kapitän. Ich habe meinen Eltern schon oft widersprochen. Ich bin ein kleines trotziges Rebellenkind (Gegenwartsform, weil es auch wirklich immer noch oft so ist, nichts triggert mich leichter zu einer anderen Ansicht, als dass eine vermeintliche Autorität mir sagen will, wie ich denken könnte :-D). Aber an Bord: 100%, wenn man Vater etwas sagt, dann wird das nicht hinterfragt, dann wird das gemacht - natürlich nicht in jeder Situation, aber wenn es dabei darum geht, das Schiff zu verwenden, dann ja! Wenn der mich beim Fußballzuschauen fragen würde: "Holtst du mir ein Bier" - ist meine Antwort klar: Nein! Ich schaue Fußball, beweg selber deinen Arsch ... Wenn der gerade autofährt (lange Strecken) oder Schiff und fragt: Machst du mir ein Brot, dann gehe ich verflucht noch mal und mache ein Brot.... Aber auch da, ich habe mir die Meinung gebildet, dass das an Bord einfach sinnvoll ist, dass einer das Sagen hat. :-D.

... uff, Antwort abgeschickt, ohne dass ich das wollte, die restlichen Erwiderungen folgen gleich :-D.

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guitschee  12.05.2024, 10:13
@guitschee
Ansonsten kann, darf und sollte jeder immer wissen, was er/sie sagt, denkt und fühlt.

Er sollte es wissen, er sollte es wissen dürfen. Und ja, da stimme ich dir völlig zu, es ist schlecht, dass es in der Realität oft nicht so ist.

Wobei ich zu den Gründen, warum es vielleicht so ist, meine Gedanken unten noch ergänzt hatte, nachdem du kommentiert hattest :-D.

Auch ich darf zuweilen sagen "das interessiert mich nicht - darüber habe ich nicht genügend Informationen". Aber allein diese Aussage erfordert schon viel Mut.

Ja, das tut es. Weil teilweise vermittelt wird, dass man zu allem eine Meinung haben müsste. Und ich finde das schrecklich. Ich finde es schrecklich, dass es überhaupt Mut erfordert, zu sagen: Sorry, weiß ich nicht, habe ich keine Meinung. Das ist doch scheiße. Das sollte normal sein - weil es normal ist, das man nicht zu allem was zu sagen hat oder sagen kann ...

Man sollte aber, um wieder einen Bogen zu dir zu schlagen: zu allem was sagen können und dürfen, was die eigene Lebenswelt unmittelbar betrifft.

Wenn ein Kind bei der Frage ob Wurst oder Käse überfordert ist, dann ist da arg was im Argen.

Jein. Bei einem 10jährigen Kind: auf jeden Fall. Bei einem 3jährigen Kind: nein, soweit ich weiß, ist die Entwicklung da einfach noch nicht so weit. Aber, da kennen sich andere sicher weit besser aus.

Wie gesagt, bei den kleinen würde ich erstmal anfangen, damit zu Fragen zu ermuntern.... Aber dann keine diktatorischen Antworten zu geben, sondern gerne mit dem Kind herumphilosophieren.

Denn um Entscheidungen zu treffen, bedarf es der eigenen Meinung: Mag ich lieber Wurst oder Käse

Wie gesagt, ist für mich nicht Meinung, sondern Vorliebe.

- und wenn ja: Warum?

Das wäre wiederum dann schon eher Meinung - aber könnte ein kleines Kind sowas beantworten ...

Und zum Schmunzeln - bei manchen Restaurants zum Beispiel bin ich schlimmer als jedes dreijährige Kind, da lasse ich manchmal einfach andere entscheiden, weil ich das nicht entscheiden kann - zu viele geile Sachen ...

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AriZona04 
Fragesteller
 12.05.2024, 10:22
@guitschee

Stichwort Nebel und Vorliebe: Sicher: Wenn ich Nebel mag, dann ist das eine Vorliebe. Damit kann man jedoch einsteigen: Warum mag ich diese Vorliebe? Finde Argumente für oder gegen Nebel. Und dann wäge ab: Ist Nebel gut oder schlecht? Für Menschen, die noch nicht gelernt haben, ihre eigene Meinung zu bilden, finde ich das einen sehr guten Einstieg. Ich mache mir Gedanken, warum ich etwas gut oder schlecht finde. Denn letztlich geht es ja darum: Finde ich Paszifismus gut oder schlecht? Und wenn ja - warum?

Ich - persönlich - lach - habe keinen blassen Schimmer, was Pazifismus ist. Es ist kein Thema, das mir täglich begegnet und ich habe mich noch null damit auseinander gesetzt. Muss ich auch nicht. Du erwähnst ihn, weil er für dich in diesem Thread wichtig ist. Ich kann jetzt googlen und herausfinden, was Du eigentlich damit meinst und aussagen willst. Ja - kann ich machen. Muss ich aber nicht. Das ist eines der 70tausend Themen, die mich - noch - nicht interessieren. Du darfst sehr wohl Deine eigene Meinung zum Pazifismus haben! Ja! Aber ich muss nicht wissen, was das ist. Ich steh auch dazu. Ich weiß andere Dinge - z. B., was eine Masche verschränkt abnehmen bedeutet. Es geht ums Stricken. Ich muss mit Dir den Pazifismus auch nicht diskutieren, wenn mir nicht danach ist. Wichtig ist, dass ich andere Meinungen zu anderen Themen habe, die ich diskutieren kann.

Ein Elternhaus ist kein Schiff! (Die Sache sieht anders aus, wenn das Haus brennt und die Kinder klein sind!). Aber in einem Elternhaus darf sehr wohl Demokratie gelebt werden. Sollte sogar! Denn Eltern sind nicht automatisch allwissend. Wie ich schon irgendwo schrieb: Kinder können ihre Eltern überholen, was Wissen und Können angeht. Das sollten Eltern erkennen. Nein - das Bier musst Du Deinem Vater nicht bringen: Genau: Der hat einen eigenen Arsch, den er bewegen kann! Und wenn meine Mutter will, dass ich heute das beschissene weiße Sonntagskleid anziehen muss, dann darf ich sehr wohl dagegen angehen: Das ist mein Körper und den bekleide ich wie ich will. Ich leb dann auch mit den Konsequenzen, dass jeder in der Kirche schräg guckt, weil ich im Gothic-Style dort erscheine. Ich entscheide auch selbst - ab 14 Jahre, ob ich überhaupt in die Kirche gehen will! - War ein Beispiel, dass mir spontan in den Sinn kam.

Homosexualität existiert. Punkt. Da muss man gar nicht diskutieren. Wer sich dagegen sträubt, plappert nur nach.

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guitschee  12.05.2024, 10:51
@AriZona04
Ich - persönlich - lach - habe keinen blassen Schimmer, was Pazifismus ist

Ganz aufs einfachste runtergebrochen, die Ansicht, das Krieg und Gewalt immer schlecht sind und vermieden werden müssen. Dabei war eine Diskussion darüber auch 0 in meinem Sinne, ich wollte damit nur aufzeigen, welche Diskrepanz es zwischen Meinung und Vorliebe geben kann. Denn ich mag Kämpfe, ich kann Gewalt durchaus etwas abgewinnen - aber meine Meinung ist eben, dass Gewalt schlecht ist - daher zieht mein Gehirn wohl auch sinnvollerweise aus Eigenschutz die Grenze zwischen Realität und Fiktion. Und lebt eben fiktionell die Vorliebe aus, die es in der Realität nicht ausleben kann und will...

Es ist bei mir einfach das Beispiele, wo mir dieser Unterschied am signifikantesten auffällt.

Denn letztlich geht es ja darum: Finde ich Paszifismus gut oder schlecht? Und wenn ja - warum?

Was bei allen politischen, gesellschaflichen und ideologischen Themen sinnvoll und teilweise notwendig ist - aber nicht bei vielen anderen Fragen. Etwa beim Nebel kann man darüber philosophieren, analysieren, muss man aber nicht. Da reicht es eben im Zweifel auch zu wissen. Nebel ist nasskalt... (was übrigens nicht meine Ansicht zu Nebel ist, wenngleich auch meistens ein Fakt). Nebel finde ich auf einer poetischen Ebene nämlich super spannend - und da könnte ich ähnlich lange Texte zu schreiben, wie auch zu deiner Frage :-D.

Ein Elternhaus ist kein Schiff! (Die Sache sieht anders aus, wenn das Haus brennt und die Kinder klein sind!)

Ich denke, manchmal schon. Wenn es um sowas wie Schlafenszeit geht, oder Süßigkeiten. Ich bin ganz froh, dass meine Eltern meistens keine Süßigkeiten im Haus hatten, hätten die mich davon so viel essen lassen, wie es meiner Vorliebe entsprach ... besser nicht. Da ist Diktator vielleicht wirklich sinnvoll. Sonst könnte ich nämlich gar nicht erst auf die Idee kommen, Fahrrad zu fahren, weil ich nicht drauf käme - was ich eigentlich nämlich seit über einer Stunde tun will, aber mich hat da so eine tolle Frage im Internet irgendwie erfolgreich abgelenkt ;-).

Denn Eltern sind nicht automatisch allwissend.

Lach. Die Diskussionen mit meiner Mutter und meinem Vater zeigen, denke ich, dass ich das schon sehr früh begriffen hatte :-D. Allerdings hatte meine Mutter oft den Mut, wenn ich eine Frage stellte, zu sagen: Weiß ich nicht. Aber oft mit dem Nachsatz: schauen wir doch mal im Lexikon (sie hatte 12 Brockhausbände) nach. Das hat mir sehr viel beigebracht - und ich meine nicht die Beantwortung meiner Fragen, sondern darum, wie toll es ist, Fragen nachzugehen. Da wünschte ich wirklich, jedes Kind könnte das so vermittelt bekommen....

Wie ich schon irgendwo schrieb: Kinder können ihre Eltern überholen, was Wissen und Können angeht

Auf jeden Fall. Und doch hat mein Vater mich letztens (vor 2-3 Jahren) völlig überrascht. Er ist nicht der Mensch, der interlektuelle Diskussionen mit einem führt - dachte ich - habe ihn auch noch nie mit einem Buch in der Hand gesehen - und wir haben dennoch für mich völlig überraschend ein sehr tolles Gespräch über Philosophen und ihre Meinung und was wir dazu denken geführt. Ich frage mich immer noch, wie ich meinen Vater verdammte 30 Jahre so unterschätzen konnte... Der Grund dafür ist aber recht einfach: wir hatten vorher nie so ein Gespräch, er hat dazu einfach nie was gesagt vorher, nicht, weil er keine Meinung hat, sondern, weil es ihm nie wichtig erschien, sie auch zu teilen. ...

Und wenn meine Mutter will, dass ich heute das beschissene weiße Sonntagskleid anziehen muss

Je nach Anlass, würde ich mich beugen, aber vermutlich nicht, vermutlich schon aus Prinzip nicht :-D. Aber ja, man darf dagegen sein - ABER: man darf auch dafür sein. Man darf Gründe haben, sich dem zu beugen. Und die Gründe dürfen auch gegen die eigene Meinung zum Sommerkleid gehen.

dass jeder in der Kirche schräg guckt, weil ich im Gothic-Style dort erschein

Hihiih. Mit blöden Blicken braver Kirchgänger kenne ich mich aus. Würde ich heute nicht mehr so machen, aber trotziges kleines jugendliches guitschee hat das richtigerweise und älteres kleines guitschee grinst immer noch über die gefühlte Mordlust in den Augen der blöden Klageweiber in der Reihe vor uns - und übers (versteckte, verschmitzte) Grinsen des Pfaffens, der den Spruch über "Völlerei" auch gehört und ganz richtig auf sich bezogen hatte :-D.

Echt, diese Weiber waren so nervig. Es musste sein ... :-D

Ich entscheide auch selbst - ab 14 Jahre, ob ich überhaupt in die Kirche gehen will!

Richtig. Und dazu gehört dann aber auch, dass man entscheiden kann: ich finde Kirchen scheiße, aber es gibt einen guten Grund, das zu ignorieren - und das nicht zu äußern (auch nicht nonverbal). Das ist eben auch ein Zeichen von Selbstbewusstsein und Reflektion: nicht alles zu sagen, was man sagen könnte, weil man Gründe sieht, es nicht zu tun - und anderen das ebenfalls so zugestehen. Man sollte eine eigene Meinung haben - aber man muss sie nicht verkünden, dass ist absokut nicht nötig oftmals.

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guitschee  12.05.2024, 10:55
@guitschee

So, Zeichen war zu Ende...

Homosexualität existiert. Punkt. Da muss man gar nicht diskutieren.

Womit du dann eine Meinung unterdrückst.... Vor allem, ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist: du machst das, was ich als Beispiel schon quasi angedeutet habe. Du kommst mit einer Keule, um das Thema zu beenden, um die Meinung des anderen als nichtig zu erklären. Eigentlich sogar mit zwei Keulen.

Erste Keule:

Wer sich dagegen sträubt, plappert nur nach.

Keule: du plapperst nur nach.

Zweite Keule: du änderst die Ebene zur Existenz, anstatt der Natürlichkeit, denn die Existenz ist deutlich deutlich unstrittiger und einfacher aufzuzeigen (natürlich ist beides im Endeffekt leicht aufzuzeigen, weil natürlich beides völlig korrekt ist ...)

Wer sich dagegen sträubt, plappert nur nach.

Nicht zwingend, leider, nein.

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Soziale Interaktionen sind eine Illusion, dessen welches für den einfachen Menschen der einzige Lebenssinn darstellt.


Justme675  11.05.2024, 19:17

Sympathisch.

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AriZona04 
Fragesteller
 12.05.2024, 02:32

Was spricht dagegen, ein einfacher Mensch zu sein? Was wäre die Alternative - ein schwieriger Mensch zu sein?

Mein Sinn des Lebens ist "Spaß". Das schließt soziale Interaktionen nicht aus! Sie sind jedoch auch nicht mein Lebensinhalt.

Die eigene Meinung ist ein Muss. Siehst Du das anders?

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